Die Berlin-Brandenburgische Fördergruppe der Giordano Bruno Stiftung hat an Berliner Schulleiter, Lehrer, Eltern und Schüler eine Rundmail geschickt, in der sie dazu aufruft, die Inhalte des Religionsunterrichts auf seine Vereinbarkeit mit dem Berliner Schulgesetz zu überprüfen, sowie ein wachsames Auge zu werfen auf mögliche kreationistische Indoktrination. Die Reaktionen sprechen für sich.
Was Religionslehrer und Kreationisten davon halten
Das Schreiben wolle den Eindruck erwecken, als ob Religionsunterricht schulgesetzwidrig erteilt und zu staatlich finanzierter Indoktrination genutzt werde. „Das ist diffamierend. Die Beschäftigung mit biblischen Aussagen zur Schöpfung und mit dem Schöpfungsglauben ist für den Religionsunterricht unaufgebbar. Das hat nichts mit einer Befürwortung des Kreationismus zu tun“, so Lüpke.
Der Vorsitzende des Notbund für den Evangelischen Religionsunterricht, Pfarrer i. R. Rolf Lüpke (Berlin), beschwert sich hier gegenüber dem evangelikalen Nachrichtenmagazin idea über die Rundmail und bezeichnet sie als „diffamierend“. Da stellt sich zunächst einmal die Frage, was ein ehemaliger Pfarrer der EKD mit den Evangelikalen zu tun hat, von denen sehr viele Kreationisten sind? Und was ist der Notbund für den Evangelischen Religionsunterricht?
Das steht in einem internen Dokument, das der Verband der Berliner Religionslehrer und Religionslehrerinnen aus irgendwelchen Gründen einfach ins Netz gestellt hat. Dort erfahren wir, dass es sich um einen Verein handelt, der den Religionsunterricht in Berlin verteidigen will, das Ziel sei die „Erhaltung des evangelischen Religionsunterrichts“. Wie aus dem Dokument hervorgeht, arbeitet dieser Verein eng mit dem Verband der Berliner Religionslehrer und Religionslehrerinnen zusammen. Beide Organisationen standen an forderster Front der Kampagne Pro Reli, die in Berlin ein Wahlpflichtfach Religion einführen wollte (aktuell ist Ethik Pflichtfach und Religion freiwillig).
Rolf Lüpke ist der Vorsitzende des Notbund und ein evangelischer Pfarrer im Ruhestand, der eine interessante Funktion inne hatte: „Als Kirchenschulrat habe ich mich lange um die Organisation des evangelischen Religionsunterrichts in Berlin gekümmert, zum Beispiel um die Einstellung der Lehrkräfte.“
Ich habe die Rundmail gelesen, die Philipp Möller mit seinem Team formuliert hat und ich kenne auch die Presseerklärung. In der Rundmail steht ganz deutlich:
Die Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg, die sich vor Ort für Humanismus und Aufklärung einsetzen, sprechen sich entschieden dagegen aus, dass christlich-fundamentalistische Strömungen Zugriff auf staatlichen Religionsunterricht erhalten, um unwissenden Kindern dort ihre religiösen Irrlehren als Wahrheit zu verkaufen.
Es geht den Evolutionären Humanisten ganz ausdrücklich nur um „christlich-fundamentalistische Strömungen“. Warum sagt nun ein ehemaliger Pfarrer der EKD, der für die Organisation des evangelischen Religionsunterrichts in Berlin verantwortlich war, es wäre „diffamierend“, wenn die Evolutionären Humanisten vor Fundamentalisten warnen? Vielleicht weil der „Schöpfungsglaube“ doch irgendwie zusammenhängt mit dem Kreationismus? Wenn die Evolutionstheorie korrekt ist, dann hat Gott die Lebewesen nicht alle individuell erschaffen, sondern er hat sie allenfalls bei seiner Erschaffung des Universums vorgesehen. Eine andere Position ist nicht mehr wissenschaftlich vertretbar.
Der Geschäftsführer der evangelikalen Studiengemeinschaft Wort und Wissen, Reinhard Junker (Baiersbronn), warf den Autoren des Schreibens vor, eine „antichristliche Stimmung“ zu erzeugen.
Mit Herrn Junker hatte ich schon einmal eine kleine Auseinandersetzung, als ich noch bei den Brights war und diese seine Vorlesung in der Uni Würzburg mit Protestschreiben verhinderten (meine Position lautete allerdings anders, ich forderte in meiner Mail an den Uni-Präsidenten gleiche Redezeit für die Kritiker des Kreationismus ein).
Es ist sonnenklar, dass die Kreationisten von Wort und Wissen gerne so viel Einfluss hätten wie möglich. Und wer nicht mit ihnen übereinstimmt, der verbreitet eben eine „antichristliche Stimmung“. Aber veröffentlicht kath.net diesen Bericht überhaupt zusammen mit den Evangelikalen von idea? Wort und Wissen leugnet schließlich nicht, eine kreationistische Organisation zu sein. Haben Katholiken etwa doch ein Problem mit der Evolutionstheorie?
Was der Brights-Blog davon hält
Ich war einer der drei Gründer der deutschen Brights und von mir stammen viele der offiziellen Texte und Übersetzungen der Bewegung. Schließlich bin ich ausgestiegen, weil ich auf erhebliche Konstruktionsmängel aufmerksam geworden bin. Ich hielt es für wahrscheinlich, dass die Bewegung angesichts des Nichtvorhandenseins jeglicher Leitung, sowie des Mangels an klaren, verbindlichen Vorgaben in Sekten zerfallen würde, was dann auch geschehen ist. Der Brights-Blog ist eine dieser Sekten, der eine postmodernistisch-marxistische Ideologie vertritt. Er spricht in keiner Weise für die „Brights“, was im Grunde nur ein anderer Name für „Naturalisten“ ist. Leider wird er aber so wahrgenommen.
Das Konzept des Brights-Blog besteht darin, sich irgendwo aus der Presse Artikel und Fotos zu klauen und sie dann zur Diskussion zu stellen, manchmal kommentiert vom Administrator „nickpol“ oder von Robert, der den Berliner Brights angehört.
Das haben sie auch mit dieser Meldung getan und nickpol war so nett, die Aktion der Evolutionären Humanisten als „unnütz“, „demagogisch“ und „populistisch“ zu bezeichnen. Für Außenstehende klang das so, als gäbe es eine Auseinandersetzung innerhalb der säkularen Szene um diese Aktion. Tatsächlich gab es aufgrund der Buskampagne, die Robert anfangs mitorganisierte, eine Auseinandersetzung zwischen dem Brights-Blog und der GBS (die eigentlich nichts damit zu tun hatte, aber trotzdem dafür verantwortlich gemacht wurde, dass die Kampagne nicht so lief, wie sich die Brights-Blogger das vorstellten), was darin resultierte, dass die Blogbetreiber alles schlecht und ideologisch finden, was wir machen, ganz egal, was es ist. Mir haben sie entgegen ihrer aufgesetzten Verteidigung der Meinungsfreiheit sogar verboten und es technisch unmöglich gemacht, auf dem Blog Kommentare abzugeben, selbst bei Artikeln, die sich gegen mich persönlich richten. Angeblich sei ich „dogmatisch“, was mir offenbar sämtliche Rechte entzog.
Vor diesem Hintergrund verwundert die Reaktion der Brights-Blogger dann auch wenig. Ihre marxistisch-postmodernistische Ideologie sieht für Religionen vollkommene Narrenfreiheit vor und ihre Paranoia macht sie glauben, die GBS wäre ihr Feind und alles, was sie tut, wäre automatisch falsch. Da sie aber keinen Menschen repräsentieren, angesichts der Anonymität von „nickpol“ im Grunde nicht einmal ihn, ist es ziemlich gleichgültig, welche Position der Brights-Blog einnimmt.
Was die Giordano Bruno Stiftung davon hält
Die offizielle Position der Stiftung zur Frage des Religionsunterrichts ist kein Geheimnis und ist auf der offiziellen Website nachzulesen. Umso erstaunlicher, dass es niemand getan hat. Hier die relevanten Passagen:
Dafür soll im Unterricht über alle Weltreligionen und Ideologien in historisch-wissenschaftlicher Weise aufgeklärt und Grundlagen des Humanismus und der Aufklärung, die zur Schaffung der Menschenrechte geführt haben, vermittelt werden. Die Lehrpläne sind an aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaften zu orientieren. Es ist ein objektiv und rational fundiertes Weltbild zu vermitteln. Den Schülern soll undogmatisch ein umfassender Überblick ethischer Grundprinzipien auf Basis empirischer Wissenschaft und Philosophie aufgezeigt werden, ohne dass bestimmte Religionen oder Ideologien bevorzugt behandelt werden. Insbesondere sind Klauseln aus einigen Bundesländer-Verfassungen zu entfernen, in denen als Bildungsziele eine Erziehung nach christlich geprägter Ethik oder in einer „Ehrfurcht vor Gott“ formuliert ist.
In Schulen haben religiöse Symbole wie auch konfessioneller Religionsunterricht nichts zu suchen.
Die Giordano Bruno Stiftung möchte also keineswegs den Religionsunterricht kontrollieren. Sie fordert vielmehr, dass er in seiner jetzigen Form abgeschafft wird. An die Stelle des konfessionellen Religionsunterrichts tritt ein objektiver, wissenschaftlicher Unterricht über Religion. Die eigentliche Position der Stiftung ist also viel radikaler als das, wofür sie hier kritisiert wird.
Michael Schmidt-Salomon hat auch selbst eine Position zum Thema verfasst:
„Weltanschaulich neutral“ kann und darf sich der Staat nur dort verhalten, wo weder die humanistischen, auf den Menschenrechten beruhenden ethischen Prinzipien des Grundgesetzes noch die Seriosität des Bildungsauftrags (Stichwort: Kreationismus) auf dem Spiel stehen. Um überhaupt in den Genuss staatlicher Förderung kommen zu können, müssten die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften – vor allem wenn sie im pädagogischen Bereich tätig sind – zunächst ihre „Hausaufgaben“ erledigen, d.h. aus ihren Weltbildern all jene Elemente entfernen, die entweder mit den Kriterien einer humanen Ethik oder aber mit hinreichend gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen kollidieren.
Die Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg haben sich unter anderem mit dem Hinweis verteidigt, dass es sich nicht um eine offizielle Aktion der Stiftung selbst handelte, sondern um eine Aktion eine ihrer Fördergruppen. Das ist zwar korrekt, aber ich denke, ich kann sagen, dass die Evolutionären Humanisten durchaus im Sinne der Stiftung gehandelt haben. Die Reaktionen zeigen deutlich, wie notwendig ihre Aktion war.
Habe ich das richtig verstanden? Die vom Brightsblog haben kein Problem damit, dass im Religionsunterricht religiöse Indoktrination und kreationistische Propaganda betrieben wird – mit der Begründung, dass das Grundgesetz den Kirchen da freie Hand lässt?
Kann man das Schreiben an die Schulen irgendwo lesen?
Hallo Andreas,
ich will ihn nicht verteidigen; aber Robert ist *nicht* mehr von den Berliner Brights. Die gibt es quasi auch nicht mehr.
Den Brief der Berliner GBS gibt es hier:
http://gbsbb.wordpress.com/2009/10/13/kreationismus-in-berliner-klassenzimmern/
Meine Reaktion auf den auch von Dir, Andreas, zitierten Artikel hier:
http://gbsbb.wordpress.com/2009/10/17/die-kirche-ist-entsetzt/
Und seit ich auch auf meiner Webseite das GBS-Logo zu prangen habe… darf ich im Bright-Blog nicht mehr „mitspielen“ 🙂
@Thomas: die vom Brightsblog (=nickpol) haben nur dann Probleme, wenn Jemand anderer Meinung als er ist.
So richtig schön absurd finde ich aber, dass nickpol „dogmatisch“ als Stigma verwendet obwohl er es offensichtlich selber ist und ihm Rechthaben wichtiger ist als das Recht auf freie Meinungsäußerung…
@nic
danke für die Links, ich schau mir das an und sage gegebenenfalls dort etwas dazu.
Falsch oder unpräzise definierte Religionsfreiheit stellt die staatliche Neutralität immer öfter in Frage. Da der deutsche Staat de Facto kein säkularer Staat ist, darf er sich nicht als neutral bezeichnen und wird in folgedessen von diversen religiösen Lobbyisten immer öfter belagert. Der christliche Glaube ist in Deutschland traditionell sehr privilegiert. Die erfolgreiche Resozialisation des Klerus ließ uns das Neutralitäts- Prinzip des Staates fast vergessen. Seitdem aber der Islam als zweiter Kontrahent staatliche Fürsorge beansprucht und seine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts fordert, zeigt die offene Gesellschaft seine Macken – der Staat ist gezwungen in Sachen zu verhandeln, die eigentlich nicht verhandelbar sind.
Die staatliche Neutralität ist eine besondere Errungenschaft, die die Europäer seit der Aufklärung genießen dürfen und dessen Schutz vor revisionistischen Angriffen die Aufgabe eines jeden Bürgers sein sollte. Diese Aufgabe umfasst den intellektuellen und rechtlichen Widerstand gegen die periodischen Ausbrüche eines religiösen Gruppenwahns, welcher behauptet, ein alternatives Herrschaftssystem erfunden zu haben, das die freiheitspendende Trennung zwischen Staat und Kirche Überflüssig macht.
Das Wesen der Neutralität ist die Unparteilichkeit. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder lässt man alles zu (Heteronomie), oder gar nichts (Autonomie). Die heteronome, offenere und übergreifende, ist in Deutschland die gängige Form der staatlichen Neutralität. Der von der Religion beeinflussbare Staat, verliert noch mehr an Autorität, wenn sein repräsentativer Raum beliebig besetzbar wird. Für Millionen von Nichtkonfessionellen und Atheisten, die an keiner bestimmten Symbolik hängen, ist solcher staatliche Protektionismus schwer zu ertragen. Darüberhinaus ist es auch beunruhigend, wenn der deutsche Staat mit seinem Neutralitätsverständnis allen Religionen in öffentlichen Schulen eine Werbefläche bietet. Eine unverantwortliche Gefälligkeit, der weltanschauliche Spannungen provoziert , statt sie zu neutralisieren. …..Solange ein „terra nullius“ Prinzip, nicht in ein Gesetz umgesetzt wird, der alle Religionen in staatlichen Schulen zur „Persona non grata“ erklärt, wird die staatliche Neutralität permanent okkupiert. Für die Praxis bedeutet dies, dass die Abschaffung jeder religiösen Symbolik in den Schulen sowohl „vertragliche Abhängigkeit“ des Staates von der Katholische Kirche (Konkordat) notwendig ist, um die politischen Ambitionen des Islam zu beenden.