Das sind so die Fragen, mit denen sich Moralphilosophen unserer Tage beschäftigen. In diesem Fall stammt die Frage allerdings von einem Umweltaktivisten namens Mark Boyle, der in seinem „Moneyless Manifesto“ eine Gesellschaft ohne Geld fordert.
Außerdem sollen wir, so Boyle, auf Schuhe verzichten und stattdessen auf Flip-Flops herumlaufen, die aus dem Hintern von toten Leuten gefertigt wurden. Boyle fordert dies ausdrücklich mit Bezug auf sein eigenes Hinterteil. Die Frage ist nur, ob wir zu dem Zweck über unsere eigenen vier Buchstaben verfügen dürfen? Und Boyles Antwort (ich denke mir das nicht aus und das ist auch keine Satire) lautet: Nein, wir müssen unseren Hintern nach unserem Tod verschenken, damit andere Menschen Flip-Flops daraus machen können.
*Räusper*
Ich habe das Buch selbst nicht gelesen, sondern bin über eine Rezension darauf gestoßen. Diese stammt von Rob Lyons und wurde in meinem Lieblingsmagazin aus Großbritannien veröffentlicht: Spiked. Ein Magazin von dezidierten Marxisten, die es irgendwie hinbekommen, regelmäßig Artikel zu schreiben, denen ich als Marktradikaler weitgehend zustimmen kann.
Und dies erfahren wir außerdem in der Besprechung des seltsamsten Buches auf der seltsamsten Website der Welt:
Mark Boyle, der Autor von The Moneyless Manifesto: Live Well. Live Rich. Live Free, hat Ökonomie studiert. Insofern freut es mich, dass ich niemals Ökonomie studiert habe, wie es mich freut, dass ich auf ein Philosophiestudium verzichtete. Man muss sich nur mal ansehen, was hinten dabei rauskommt. Braucht die Welt einen weiteren Keynesianer? Braucht sie einen weiteren Kantianer?
Boyle wurde von den Ideen Mahatma Gandhis beeinflusst, der ihn offenbar lehrte, dass es am besten sei, wie ein Penner zu leben. Boyle ist das nicht bewusst. Er beschreibt 352 Seiten lang sein Traumleben als verrückter Penner und hält dieses jedoch für eine revolutionäre, neue Form des Lebens als echter Mensch, befreit von den Zwängen des Geldes.
Boyle lebt in einem Wohnwagen, den er sich praktischerweise vor seiner geldlosen Zeit kaufte. Darin hat er unter anderem eine „Komposttoilette“ eingebaut, die sich dadurch auszeichnet, dass die Exkremente kompostiert werden und er sich die schreckliche Mühe des Spülens ersparen kann. Nun ist er so begeistert von dieser nachhaltigen Einrichtung, dass er schreibt, die Komposttoilette solle „das Symbol der gesamten Bewegung für ein nachhaltiges Leben werden wie das Spinnrad das Symbol der Swadeshi in Indien wurde“. Wobei Indien noch immer an den Folgen von Gandhis Selbstgenügsamkeits-Bewegung leidet, also an der Massenarmut. Vielleicht ist Armut einfach nachhaltiger.
Wie Rob Lyons feststellt: „Humor durch Übertreibung ist beinahe unmöglich, denn gleichgültig, wie misanthropisch und irrational eine Idee ist, die einen Schritt zu weit gehen würde, einfach zu bizarr und anti-menschlich, so kommt stets irgendein umweltschützender Verrückter an, der ernsthaft noch weiter gehen möchte. Mark Boyle ist ein solcher Verrückter.“
Wenn die Marxisten das sagen, muss ich es selber nicht mehr sagen. Auf jeden Fall ist Boyle sehr kreativ, denn er verbindet seine Flip-Flop-Idee mit der Kondom-Idee. So schreibt er über barfüßiges Laufen – noch besser als Flip-Flops aus menschlichen Hinterteilen: „Es verbindet dich vollkommen mit dem Planeten. Ich glaube, dass Schuhe wie Kondome sind, in gewisser Weise… Sie sind wie eine Barriere zwischen uns und dem Ganzen, die noch einen Grad der Trennung erzeugen.“
Insbesondere trennen uns Schuhe von eiskalten Asphaltstraßen und mit Kieselsteinen bestreuten Böden. Wir haben einfach keine Verbindung zu dem Ganzen mehr.
Anstelle der Marktwirtschaft solle eine Geschenkwirtschaft treten. Wir sollen einfach alles verschenken und hoffen, dass wir dafür auch mal irgendwann etwas geschenkt bekommen. Peinlicherweise habe ich so etwas in meinen linken Tagen ausprobiert (Tipp: Lasst es bleiben).
Nachdem Lyons über mehrere Absätze die Marktwirtschaft verteidigt und feiert (ist wohl der neue Trend unter Marxisten) kommt er zu folgender Schlussfolgerung: „Boyle kann leben, wie er will. Persönlich finde ich die Wahl seines Lebensstils bizarr und unlogisch, da er darauf beruht, parasitär von einer Gesellschaft zu leben, die es sich leisten kann, Wohnwägen, Ölkannen und so weiter als Abfall zu behandeln.“
Tja, die Leute lesen einfach nicht genügend marxistische Artikel.
Literatur
Was dieser Boyle so von sich gegeben hat, gehört zu den 100 unsinnigsten Sachen, die ein Mensch von sich gegeben hat. Flip-Flops aus den Hintern von Toten zu machen, ist ja wohl einfach lächerlich. Und die Sache mit dem Fair-Trade-Kondom und der Vergewaltigung ist ja mal die Höhe. Eine Vergewaltigung ist niemals ethisch zu rechtfertigen. Hier wird einer Person, in diesem Falle einer Frau, Gewalt von einer anderen Person zugefügt. Und das sage ich, obwohl ich der letzte Mensch auf Erden sein will, der mit dem moralischen Zeigefinger spielt.
Boyle beantwortet die Frage auch so.
Marx an sich war eigentlich weder ein Technikfeind noch ein Umweltschützer. Ich kann mich da an ein Zitat erinnern wo er die Inder kritisiert weil sie anstatt sich zu Herren über die Tier zu machen Tier anbeten.
Diese beiden Ideen kamen erst in den 60er Jahren durch die kritische Schule u.ä. Strömungen in den Marxismus. Manches beruht auch eher auf Heidegger und Rousseau.
Marx ist eher ein Technikoptimist. Seine utopische Vision des Kommunismus beruht darauf dass irgendwann mit Hilfe der Technik eine Gesellschaft geschaffen wird anhand derer eine hohe Produktion ohne Arbeitsteilung erreicht wird.
In der Tat, an der umweltzerstörenden Förderung „Erneuerbarer Energien“ sehen wir des Pudels Kern.
Angeblich gibt es Zitate von Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit aus den 70ern, die die Kaperung der Öko-Bewegung durch die K-Gruppen belegen. Hab leider nix Verwertbares gefunden, aber die Theorie klingt plausibel.
Solche Phantasien vom einfachen Leben befallen regelmäßig jede Generation. Einige verdienen ganz gut an der entsprechenden Ratgeberliteratur. Der Rest wird nach dem ersten kalten Winter und der ersten ernsthaften Erkrankung in der Regel wieder halbwegs vernünftig oder ganz zum Penner.