Der Gott der Atheisten

Mir wurde gerade die Frage offenbart, warum sich Humanisten eigentlich so sehr mit der Gottesfrage und mit Religion befassen, anstatt sich um ihren eigenen Kram zu kümmern? Man bekommt ja fast den Eindruck, ihnen wäre Gott viel wichtiger als er es den meisten Gläubigen ist.

Während der Atheismus für religiöse Menschen und ihre Institutionen nur eine marginale Rolle spielt, so nimmt die Beschäftigung mit Gott und Religion für engagierte Atheisten und Humanisten einen wichtigen, wenn nicht zentralen Platz ein. Ebenso lässt sich mit diesem Thema überproportional viel Aufmerksamkeit erzeugen. Auch meine eigenen Texte und Videos zum Thema Atheismus haben ein größeres Publikum angelockt als die anderen. Warum? Dabei ist es eigentlich nur – wie selbst der „Amazing Atheist“ einräumte – ein Randthema.

Es ist mir ebenso ein Rätsel, wie man sich jahrzehntelang vornehmlich mit diesem Thema beschäftigen kann, wie das bei vielen führenden Humanisten der Fall ist. Mir wurde es nach ein paar Jahren langweilig – und das aus gutem Grund. Wie der Philosoph Raymond Tallis in seinem neuen Buch (siehe die Besprechung vom Spiked-Magazin) In Defense of Wonder schreibt, ist Atheismus nicht das Ende der Philosophie, sondern ihr Anfang.

Es genügt nicht, nur gegen Religion zu sein. Atheisten haben viel anspruchsvolle Arbeit zu leisten, wenn sie auf dem „Markt der Weltanschauungen“ ernstgenommen werden möchten. Mindestens sollte man als Religionskritiker in der Lage sein, eine echte Alternative aufzuzeigen. Also eine Philosophie. Ja, man sollte seine eigene Philosophie ohne Bezug auf Religion darstellen können. Ansonsten wären atheistische Weltanschauungen am Ende nur Parasiten der Religionen, die sich dadurch auszeichnen, lediglich die Gebote und Behauptungen der Religionen abzulehnen oder deren Gegenteil zu fordern.

Greift man nur den Glauben an, wirkt man destruktiv. Damit trifft man die schlechten Seiten der Religion ebenso wie das, worauf Menschen in der ein oder anderen Form nicht verzichten können. Eigentlich sollte man nur Elemente der Religion kritisieren, auf die man ganz verzichten kann oder für die man eine Alternative im Angebot hat. Die Religion rundherum zu verdammen und an ihre Stelle irgendwelche unverdauten Ideen zu setzen, die man in der Jugend aufgesogen hat (z.B. freie Liebe, Sozialismus), ist nicht konstruktiv.

Das bloße Draufhauen auf die Religion ist kindisch. Man hat sich mit einem bestimmten Thema genauer befasst und weiß es daher besser als die anderen. Und daraus folgert man unzulässigerweise, dass man nun alles besser weiß als die anderen und sie nur Religioten sein müssen.

Man sollte hier also unterscheiden zwischen legitimer Kritik und kontraproduktiven Kindereien. Legitim ist es, konkrete Institutionen, Personen, Elemente von Religionen zu kritisieren, wenn sie individuelle Rechte nicht achten. Da ist grundsätzlich alles und jeder in Punkto Kritik vogelfrei, der sich so verhält (Atheisten natürlich ebenso). Hier wäre dann die mangelnde Trennung von Kirche und Staat ein Thema, über das man sich berechtigterweise aufregen kann.

Eine Kinderei ist es, gläubige „Dümmerchen“ zu verspotten, wenn man selber keine Ahnung hat, was man an die Stelle falscher Glaubensannahmen setzen würde. Wer eine rationale Metaphysik, Epistemologie, Ethik, Politik, Ästhetik im Angebot hat, der kann die Konkurrenz kritisieren und zugleich seine Alternative erläutern. Wer das nicht hat, der sollte sich auf die Kritik von individuellen Rechten beschränken und anderweitig die Klappe halten, bis er es besser weiß. Ansonsten nimmt er gläubigen Menschen nicht nur die negativen Aspekte ihrer Ansichten weg, sondern alles – auch das, was ihrem Leben einen Sinn oder wenigstens einen größeren Sinn verleiht. Und an dessen Stelle setzt er nur pseudointellektuelles Gelaber oder Nihilismus.

Religionskritik kann also legitim sein und auch mit Satire und allem Möglichen arbeiten. Aber sie ist nicht notwendig legitim und es gibt keinen Freischein für rein destruktives Verhalten.

Literatur

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21 Kommentare zu „Der Gott der Atheisten

  1. Um nicht an Zahnfee zu glauben, muss man nicht Zahnmedizin studiert haben. Ich gebe Dir aber Recht, dass sich manche atheistischen Aktivisten ziemlich kindisch gebärden.

    1. Um nicht an die Zahnfee zu glauben, schon. Aber um die gesamte Weltanschauung jener zu verurteilen, die an die Zahnfee glauben, sollte man mehr anzubieten haben.

  2. „Die Religion rundherum zu verdammen und an ihre Stelle irgendwelche unverdauten Ideen zu setzen, die man in der Jugend aufgesogen hat (z.B. freie Liebe, Sozialismus), ist nicht konstruktiv.“

    Und was ist konstruktiv? Eine seichte, amerikanische Modephilosophie namens Objektivismus? 🙂

    Die meisten Atheisten verfügen über eine weltanschauliche Alternative zur Religion. Diese Alternative muss dir nicht schmecken. Es hat auch niemand gesagt, dass Atheisten stets einer Meinung sein müssen.

    Was die (atheistische) Vision einer gerechten und humanen Gesellschaft angeht, gibt es zwischen deinen rechtslibertären Ideen und den Meinungen vieler Atheisten eben große Unterschiede.

    1. Der Objektivismus ist keine seichte Philosophie. Das ist eines der Standard-Vorurteile.

      Die meisten Atheisten verfügen über ein paar willkürlich aneinandergereihte, zusammenhanglose, willkürliche Ideen von einigen Skeptikern und Naturwissenschaftlern. Nicht über eine integrierte Philosophie.

      Was die (atheistische) Vision einer gerechten und humanen Gesellschaft angeht, gibt es zwischen deinen rechtslibertären Ideen und den Meinungen vieler Atheisten eben große Unterschiede.

      Sie kennen meine Meinung gar nicht, also wie wollen sie diese beurteilen können? Und ich bin nicht „rechts“. Es ist völlig idiotisch, den Objektivismus rechts einzuordnen.

      1. Och, diese seichten, rechten, „amerikanischen“ (=anspruchslosen) Objektivisten. HOHOHOHOHO! Pass mal auf, dass dir dein Monokel beim Lachen nicht in die Toilette fällt, aus der du deine Kommentare gefischt hast.

  3. Wie es dann mit Astrologie, Anthroposophie, Homöopathie? Soll man die auch nicht mehr fundamental kritisieren dürfen?

    Wo soll der Unterschied zwischen Religionen und o.g. esoterischen Strömungen/Praktiken sein? Aus naturalistischer Sicht gibt es nur einen: Die großen Religionen sind zufällig so groß geworden, haben sich mit Hilfe der Mächtigen im Laufe der Weltgeschichte etabliert und spielen heute weiter den großen Max, obwohl sie seit Spinoza, Meslier und vielen anderen Geistesgrößen für jeden wirklich kritischen Intellektuellen restlos unglaubwürdig geworden sind. Vom Fundament her ist beides, Religionen und Esoterik, Lug und Trug. Ersteres als gut organisiertes Massenphänomen, letzteres eher als individueller Aberglaube.

    Soll die Aufklärung vor den mächtigen Religionen einknicken und nur den Astrologie-Glauben anprangern? Nein; beides muss einer harten Fundamentalkritik ausgesetzt werden (dürfen).

    1. Religionen sind Kulturen oder umfassende Bestandteile von Kulturen. Es gibt keine astrologischen Moralvorstellungen, Gemeinden, Feiertage, Feste, etc. Und klar darf man die Religion grundsätzlich kritisieren – wenn man eine Alternative hat.

  4. Die positiv empfundenen Aspekte der Religionen (Kultur, Gemeinden, Feste, Feiertage) werden nach meinem Empfinden weit, weit übertrumpft von den negativen: Neurotisierung der Gesellschaften, Machtausübung in Medien, Staat, Bildungswesen und den eigenen Hierarchien/Einrichtungen, Behinderung freier Wissenschaft, Menschenrechtsverletzungen bis hin zur Steinigung Unschuldiger, religiös motivierter Terror und Kriege…

    In einem anderen Blog-Eintrag wird Gaza thematisiert (in vollkommen richtiger Weise). Ist hier nicht auch Religion am Werk, die Religion des Friedens? Keine Kritik erlaubt ohne Ersatzangebot??

    Wo Obskuranten Macht haben, werden sie diese auch missbrauchen, früher oder später, 4000 Jahre Geschichte beweisen es. Daher muss die Aufklärung fortgeführt werden, bis die Gottesanbeterei eine reine Privatsache des Individuums geworden ist.

    Apropos Ersatz: In der Wissenschaft braucht es keinen Ersatz, um eine Theorie zu falsifizieren: ein einziges Experiment mit negativem Ergebnis reicht. Derjenige, der eine Theorie zu Fall bringt, ist nicht verpflichtet, einen Ersatz zu liefern. Elegant, wenn er es kann, aber notwendig ist es nicht.

    Und wenn es um den Ersatz einer religiösen Moral geht, dann es gibt es mehrere Ansätze einer säkularen Ethik, angefangen beim alten Kant.

    1. feuernutzer sagt: „Und wenn es um den Ersatz einer religiösen Moral geht, dann es gibt es mehrere Ansätze einer säkularen Ethik, angefangen beim alten Kant.“
      Ich glaube, von dem Blogeintraf darf sich primär angesprochen fühlen ein gewisser MSS oder eine gewisse gbs?

      Betr. der Falsifizierung redest du von rein-deskriptivem naturwissenschaftlichem Vorgehen ohne direkten Anwendungsbezug. Da macht es vielleicht weniger, wenn man rstmal eine Weile nur weiß, dass man etwas gerade doch nicht weiß. Moral als handlungsleitender Wertekanon sollte jedoch nicht einfach so ersatzlos attackiert werden: Einerseits kann man ohne einen konkreten moralischen Entwurf gar nicht angeben, was an einem gegebenen moralischen Entwurf falsch sein soll; andererseits: Falls man dennoch die Vertreter des kritisierten Entwurfes (warum auch immer) überzeugt bekäme, stünden die erstmal ohne alles da (oben Stichwort Nihilismus).

      „…bis die Gottesanbeterei eine reine Privatsache des Individuums geworden ist.“
      Was genau verstehst Du unter Privatsache?
      (also, ich kann mir denken, was der Objektivismus zu Religion als Privatsache konkretisiert; da interessiert mich natürlich, was empirische Personen dazu meinen zwischen Frankreich, England, Iran und Türkei)

      „Die positiv empfundenen Aspekte der Religionen (Kultur, Gemeinden, Feste, Feiertage) werden nach meinem Empfinden weit, weit übertrumpft von den negativen: Neurotisierung der Gesellschaften“
      Was Menschen ohne fremde Hilfe natürlich niemals hinbekämen.
      „Machtausübung in Medien“
      Wer übt in Medien Macht aus? Und wie?
      „Staat“
      ditto.
      „Bildungswesen“
      ditto
      „und den eigenen Hierarchien/Einrichtungen“
      durch das Hausrecht legitimiert.
      „Behinderung freier Wissenschaft“
      auch schon ne Weile nicht mehr.
      „Menschenrechtsverletzungen bis hin zur Steinigung Unschuldiger,“
      Die man allerdings nur dem falsch (=nicht) funktionierenden Staat anlasten kann.
      „religiös motivierter Terror und Kriege“
      Wobei in der Frage immer nachzuhaken ist, ob in einem gewaltbeinhaltender Konflikt die Gewalt durch beteiligte Religiösitäten hineingekommen ist, oder ob nicht Religiosität in den Dienst eines Kalküls (Demagogie) genommen wird.

  5. Irgendwie drängen sich mir in diesem Zusammenhang Gedanken an Pussy Riot und die alle Jahre wieder auftauchenden Mohammed Karikaturen auf. Wirksam religionskritisch find ich beide nicht, interessant ist aber die völlig gegensätzliche Reaktion der veröffentlichten Meinung hierzulande.

    1. ähm…die Aktion der Pussy Riot war aber nach allem, was ich mir zu wissen einbilde, weniger religionskritisch und mehr staats- bzw. putinkritisch gemeint bzw. der Kritik der Prostitution von Religion an einen Staat überhaupt gewidmet?

  6. Man soll eine Religion nur kritisieren, wenn man eine Ersatzreligion propagiert?

    Religionskritiker möchten ja gerade die Instrumentalisierung der Menschen durch religiöse Führer (Sinn-Stiftung) aufdecken, wer dies aus Nächstenliebe tut wird diese Menschen nicht selbst instrumentalisieren wollen, z.B. indem er ihnen einen „objektiven“ Zweck einredet.

    Jeder halbwegs aufgeklärte Mensch weiß, dass der Mensch keinen Zweck an und für sich hat, auch wenn er sich einen geben kann. Der Mensch wurde nicht in Absicht erschaffen, er ist planlos aus den gesetzmäßigen Mechanismen der Materie hervorgegangen. Ist doch eine schöne Alternative und vor allen Dingen ideologiefrei!

    1. Der Mensch evolvierte notwendig aus Schleimgrütze. Damit wären die großen Menschheitsfragen beantwortet. Ethik und Politik sind grundsätzlich Ideologie. Und der Materialismus hat die Antwort. Aber der ist keine Ideologie. Amen.

      1. Objektive Moral ist Ideologie, subjektive nicht. Moral drückt kurz gesagt die Erwartung einer Person an Handlungen anderer Menschen aus. Diese Erwartung entspringt den persönlichen und damit subjektiven Bedürfnissen. Ethik und Politik sind heutzutage stark ideologisiert, sie müssen es aber nicht sein. Eine ideologiefreie Ethik und Politik sind möglich. Aber es ist schon komisch, dass ein „Aufklärer“ nichts dazu beitragen möchte. Das der ganze Blog unter „Aufklärung“ firmiert ist überhaupt die Ursache meines Widerspruchs.

        Falls man wirklich nach Wahrheit bzw. Wissen strebt, sollte man seine Vorurteile hinterfragen und Trugbilder als solche erkennen. Vielleicht mal was von/über Francis Bacon und empirische Epistemologie lesen…

        1. Objektive Moral ist Ideologie bedeutet: Objektive Realität ist Ideologie. Der Mensch überlebt also ebenso, indem er produziert, wie er überlebt, indem er plündert. Er kann ebenso eine glückliche Partnerschaft erfahren, indem er seine Frau schlägt, wie indem er sie gut behandelt. Ein Vater kann seine Tochter an den 40-jährigen Schwager in Anatolien zwangsverheiraten, wie er ihr die Entscheidung überlassen kann. Denn Moral ist subjektiv. Der Mensch hat keine Natur. Die Realität ist beliebig formbar und unterwirft sich unseren Wünschen. Lies Bacon, dann weißt du Bescheid. Ich habe alles gelesen und bin undogmatisch und aufgeklärt. Du weißt laut Definition nichts, weil du nicht ich bist.

          So in etwa?

          1. „Objektive Moral ist Ideologie bedeutet: Objektive Realität ist Ideologie.“

            Nein, die Realität existiert mit ihren Eigenschaften unabhängig vom Beobachter, genau so wie eine Person mit ihren Handlungen unabhängig von einem Beobachter existieren kann. Deswegen sind sie objektiv. Die „Objektive Moral“ ist jedoch eine Konstruktion durch den Beobachter und damit nicht eine Eigenschaft der Person oder seiner Handlungen (des Untersuchungsobjekts), sondern existiert nur im Denken des Beobachters, des Subjekts. Sie ist also subjektiv.

            „Er kann ebenso eine glückliche Partnerschaft erfahren, indem er seine Frau schlägt, wie indem er sie gut behandelt.“

            Offensichtlich existieren beide Varianten, was nicht heißt dass man persönlich demgegenüber gleichgültig ist. Die Bewertung geht jedoch vom Beobachter aus und ist keine Eigenschaft des Objekts. Ein Mann der seine Frau schlägt handelt nicht objektiv falsch, er macht es ja genau deshalb, weil er es für richtig hält. Wenn wir diese Handlung als falsch bezeichnen, ist es unser subjektives Urteil (und keine objektive Feststellung).

            Soziologisch ist die herrschende Moral eben auch eine Frage der Macht. Das könnte sie nicht sein, wenn sie eine objektive Tatsache wäre. Gravitation z. B. ist keine Frage der Macht.

          2. Dein Beobachter ist kein Bestandteil der objektiven Realität, Sein Körper hat keine Identität, sein Bewusstsein keine Natur. Ist das nicht merkwürdig? Dein Subjekt entstammt einer platonischen Sphäre. Die Gravitation existiert beobachterunabhängig, die Erkenntnis, Akzeptanz, Applikation der Gravitation aber nicht. Dito objektive Ethik.

        2. Andreas, ich kann nur nochmal sagen: Verlinke lieber einmal mehr auf einen Grundlagenartikel als ein neues Gesicht anzupolemisieren. (Als Leser bin ich grundsätzlich erstmal wohlwollend gegen den Autor eingestellt; im Gegenzug würde ich erwarten, dass der Autor meine ehrlichen Anfragen auch als solche behandelt und zumindest am Anfang sine ira et studio mit mir kommuniziert – zugegeben, Du bist bisher der einzige Autor, mit dem ich als Leser kommuniziere und mir gegenüber hast Du Dich immer vorbildlich gehalten. Wäre schön, wenn Du das auch jenen gegenüber duchhalten könntest, deren Anfangsbeiträge erstmal befremdlich ausschauen: Anfängliches Wohlwollen bis man weitere Charakterdaten hat und so. Irgendwie bezweifle ich, dass Sarkasmus und Polemik Ausdrucksweisen von Wohlwollen sind.
          Generell wäre wielleicht gut, einen Guide für Neukommentatoren zu schreiben und unter jedem Blogeintrag zu verlinken?
          My2Cents.
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          LeserX sagt: „Objektive Moral ist Ideologie, subjektive nicht.“
          Ich glaube, der Begriff „Ideologie“ ist gerade dunkel und braucht Klärung. Wenn ich z.B. das Wort verwende, ist es wertungsfrei gemeint und bezeichnet bloß einen mehr oder weniger fest gefügten Komplex von Urteilen, Gewohnheiten und Haltungen philosophischer und kultureller Art – Wie Philosophie ist Ideologie dieser Definition überall vorhanden, wo Menschen sind, da jeder menschlichen Handlung philosophische Urteile und kulturelle Gewohnheiten und Haltungen zu Grunde liegen (und das gilt selbst für Vertreter von Gegenkulturen, die ihrerseits einen anderen als den dominant wahrgenommenen Entwurf ausprobieren).

          Das die Instrumentalisierung angeht: Die objektivistische Ethik, verbietet dies, wenn damit gemeint ist, Menschen ohne Gegenleistung und gegen ihren eigenen Willen für ihnen fremde Interessen einzuspannen.

          „Jeder halbwegs aufgeklärte Mensch weiß, dass der Mensch keinen Zweck an und für sich hat, auch wenn er sich einen geben kann.“
          Haben und Sein, das ist hier die Crux: Welche Länge „hat“ ein Meter? Welche Masse „hat“ das Urkilogramm? Welche Farbe „hat“ blau? Das Verb „haben“ als Ausdruck einer Attribuierung ist in den Beispielen offensichtlich fehlplatziert: Das Meter ist eine Länge, das Kilogramm ist eine Masse, Blau ist eine Farbe. Und ebenso der Mensch: Er ist sein eigener Sinn und Zeck an sich (wie jedes Lebewesen) und kann Zwecke außer seiner selbst (wie jedes Lebewesen) nur in Ableitung davon haben, sowohl durch die Notwendigkeiten seiner Existenz (wie jedes Lebewesen), als auch durch die Setzung seines Willens (was ihn von den meisten Lebewesen unterscheidet).

          „Moral drückt kurz gesagt die Erwartung einer Person an Handlungen anderer Menschen aus.“
          Moralbegriff problematisch. Als beschreibender Satz unter „ferner liefen“ möglich, aber keinesfalls die hinreichende Definition. Die (hoffentlich nicht polemische) Antwort muss ich zeitwegen dem Autor überlassen.

          1. @DerAutor: Der in meinem Beispiel genannte Beobachter ist natürlich ein Bestandteil der Realität. Ich habe nichts gegenteiliges angedeutet.

            @sba: Ein paar Begriffsklärungen sind sicherlich nicht verkehrt. Ideologie: Lehre die einen Trugschluss bzw. eine Falschaussage enthält. Mit Instrumentalisierung ist eine nicht-Anerkennung bzw. Aberkennung von Selbsbestimmung gemeint, gewissermaßen eine fremde Zwecksetzung, egal egoistisch oder altruistisch. Der Objektivismus entspricht diesem Prinzip, da er gewisse Werte, z.B. Sozialismus, allgemein verbieten möchte.

            Nicht das mir der Sozialismus gefällt, ganz und garnicht. Niemand sollte gezwungen werden im Sozialismus zu leben, jedoch sollte er genau so wenig verboten werden.

          2. @sba: Dann ernenne ich dich zum Pressesprecher. Ich halte jetzt die Klappe und übergebe dir diese Diskussion, nicht dass er es verdient hätte mit seinem Unsinn.

          3. Hallo X,
            komische Situation, in die wir jetzt geraten sind; mal schauen, was bei rauskommt.
            Nötigerweise ganz von vorne:

            „Religionskritiker möchten ja gerade die Instrumentalisierung der Menschen durch religiöse Führer (Sinn-Stiftung) aufdecken, wer dies aus Nächstenliebe tut wird diese Menschen nicht selbst instrumentalisieren wollen…“
            Was ich an dem Gedanken extrem interessant finde, ist, dass Du mit Nächstenliebe eine religiöse, christliche, Kategorie eingebracht hast, während Du Dich zugleich gegen Religion auszusprechen scheinst. Der von Dir erbrachte Instrumentalisierungsbegriff „gewissermaßen eine fremde Zwecksetzung“ ist weiter kommentarbedürftig: Geht es darum, dass ich etwa sage „Du solltest rationalerweise Nahrungsbeschaffung unter Deinen Handlungszwecken haben“ (nun, das wäre keine Fremdbestimmung, das wäre lediglich eine Deskriptive Aussage: Da Menschen i.d.R. nicht sehr lange ohne Nahrung leben können aber noch eine Weile leben wollen, müssen sie sich Nahrung beschaffen) oder darum, dass ich hypothetisch Dein Leben von mir bestimmten Zwecken unterwerfen könnte?

            „Moral drückt kurz gesagt die Erwartung einer Person an Handlungen anderer Menschen aus.“
            Tut sie auch, das wird allerdings erst im sozialethischen Bereich notwendig (den der objektivistische Entwurf ziemlich scharf von dem trennt, was ich
            „Fundamentalethik“ nenne: Ein System von Werten, welches das Handeln leitet; vor und erstmal abgesehen von den gesellschaftlichen Bezügen des Menschen –> http://aynrandlexicon.com/lexicon/morality.html )

            Wegen der Ideologiesache habe ich mal rumgefragt. Ergebnis: In meinem Bekanntenkreis verwenden keine zwei Nasen das Wort auf die selbe Weise. Wikipedia war so nett, meine Kenntnisse zu verbessern: Deine Definiton entspricht eher der marxschen Richtung (wobei witzigerweise der Begriff „Ideologie“ dann im realen Sozialismus deutscher Nation wieder rehabilitiert wurde). Ferner würde ich nach Deiner Ideologiefassung erwarten, dass Du die jeweilige Falschaussage(n) von etwas, das Du als „Ideologie“ bezeichnest, namhaft machst (und netterweise als falsch nachweist – oder halt die im Gegensatz dazu richtige Aussge argumentierst).

            „Die Bewertung geht jedoch vom Beobachter aus und ist keine Eigenschaft des Objekts. Ein Mann der seine Frau schlägt handelt nicht objektiv falsch, er macht es ja genau deshalb, weil er es für richtig hält.“
            Etwas für richtig zu halten ist allerdings etwas anderes, als zu wissen, dass etwas richtig ist. Ansonsten ist „richtig“ als Adverb natürlich kontextabhängig: Richtig oder Falsch ist eine Handlung hinsichtlich eines Zweckes, der durch sie realisiert werden soll: Will ich als Mann die aufrichtige Anerkennung meiner Frau, werde ich dies durch Schläge höchstens erreichen, wenn sie Klingonin oder Masochistin ist (in beiden Fällen würde es sich nicht wirklich im Gewalt handeln). Unter Stino-Terranern gelten Schläge hingegen als Gewaltakt und führen eher zu Respektverlust, womit das Ziel verfehlt wird.
            http://aynrandlexicon.com/lexicon/subjectivism.html#order_7

            „Soziologisch ist die herrschende Moral eben auch eine Frage der Macht.“
            Die soziologisch dominante Moral ist irrelevant: http://aynrandlexicon.com/lexicon/social_theory_of_ethics.html

            „Aberkennung von Selbsbestimmung gemeint, gewissermaßen eine fremde Zwecksetzung, egal egoistisch oder altruistisch. Der Objektivismus entspricht diesem Prinzip, da er gewisse Werte, z.B. Sozialismus, allgemein verbieten möchte.“
            Ehrlich gesagt verstehe ich die Passage nicht. Neben dem oben erwähnten Problem, verstehe ich auch nicht, was Du dem Objektivismus eigentlich vorwirfst? Wenn er verbietet, tut er es im philosophiscen Sinne, so wie Kant Suizid „verbietet“. Die Ablehnung von Sozialismus folgt notwendig aus einer Zustimmung zum Objektivismus oder auch nur zur Freiheit (Bsp. USA: Der Objektivism. ist dort beileibe nicht Staatsdoktrin, aber fast alle sind sich einig, dass Kommunism/Sozialism und Freiheit nicht kompatibel sind und Freiheit eine verdammt coole Sache ist.)

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