Tja, komisch, erst geht mein Wlan kaputt, dann mein Notebook – und plötzlich funktionieren beide wieder. Moderne Technik ist wirklich kaum von Magie zu unterscheiden, wie Arthur C. Clarke meinte. Sie funktioniert ebenso willkürlich und instabil.
Nach der hiesigen Diskussion zwischen dem Volkswirtschaftsprofessor Ulrich Berger und mir im Kommentarbereich des Artikels „Externalität“ ist kein valides Konzept habe ich noch einige Einwände zu beantworten. Grundsätzlich finde ich es übrigens gut, darüber aufgeklärt zu werden, wenn ich Unsinn schreibe und das dürfen andere gerne ebenso tun. Meine grundsätzliche Meinung habe ich zwar nicht geändert, aber durch solche Debatten wird die Argumentation genauer und mögliche Missverständnisse und Fehler können ausgeräumt werden.
Es geht um Externalität, um den Unterschied zwischen politischen und anderen Problemen und vor allem um die Bedeutung der Interessensharmonie.
1. „Valides Konzept“
Ich mag externe Effekte nicht für ein „valides Konzept“ halten, aber dies bedeutet keineswegs, dass externe Effekte nicht existieren würden. Meine Argumentation lief darauf hinaus, dass der Begriff der „Externalität“ viele verschiedene Phänomene zusammenfasst, die nicht genügend miteinander zu tun haben, als dass sie einen gemeinsamen Überbegriff rechtfertigen würden.
Weitere Argumente für diese Position habe ich in Form des ethischen und politischen Missbrauchs und willkürlichen Umgangs mit externen Effekten in der Praxis angeführt. Man könnte sich beispielsweise einen Überbegriff für das Verspeisen von Eisbergsalat und Walzertanzen überlegen: „Walzerlat“. „Walzerlat“ meint keine Mischung aus Walzer tanzen und Salat essen, etwa, wenn man beides gleichzeitig tut, sondern der Begriff meint beide Tätigkeiten, die nichts essenziell vereint, isoliert voneinander zugleich. Und das wäre absurd. Nicht, dass man einen Begriff für das Eisbergsalatessen während des Walzertanzens benötigen würde – es sei denn, das wäre ein spezifischer Tanzstil. Was gar nicht mal so unwahrscheinlich ist.
2. „Problem“ ungleich „politisches Problem“
Nicht jedes Problem ist ein politisches Problem. Ein Bürger, der mit seinem CO2-Ausstoß in geringem Maße zur Klimaerwärmung beiträgt, verletzt nicht die Rechte anderer und begeht kein Verbrechen. Wer gegen kein Gesetz verstößt, sollte auch nicht bestraft werden, etwa indem er eine Geldstrafe in Form von Steuern für seinen CO2-Ausstoß bezahlen muss. Die Idee, das wäre ethisch und politisch akzeptabel, beruht nach meinem Dafürhalten auf einem Staatsbild, das von einem planenden, intervenierenden Staat ausgeht, der zum Gesamtwohl der Bürger handeln soll („Wohlfahrtsstaat“). Ich sehe den Staat hingegen als Wächter, der uns vor Gewalt durch unsere Mitbürger und ihn selbst bewahren soll („Nachtwächterstaat“). Davon abgesehen ist es auch pragmatisch sinnlos, wenn nur Europa seinen CO2-Ausstoß reduziert und er Länder wie China und Indien nicht kümmert. Individuelle Bürger sollten aber durchaus auf ihren CO2-Ausstoß achten, eben weil sie damit zu einer geringeren Klimaerwärmung beitragen.
3. Die Harmonie der Interessen
Die Harmonie der Interessen – eine Aussage der objektivistischen Philosophie – bedeutet, dass es keine fundamentalen Konflikte zwischen vernünftigen Menschen in einer freien Gesellschaft gibt. Wir können alle Konflikte, die aufkommen, friedlich und argumentativ beilegen. Man denke an die alltäglichen Konflikte, wenn etwa der Mann Joggen gehen möchte und die Frau lieber Spazieren gehen. Oder wir können bei kleineren Händlern um den Preis eines Gutes feilschen. Klar sind unterschiedliche Interessen im Spiel, aber wir können sie friedlich durch Vernunft auf einen gemeinsamen Nenner bringen.
Das ist durchaus keine triviale Aussage, ebenso ist es keine utopische Aussage. Das Gegenteil der Harmonie der Interessen – übrigens eine alte liberal-humanistische Idee und keine, die ursprünglich von Ayn Rand stammen würde – ist die Idee, es gäbe notwendig fundamentale Konflikte zwischen Menschen oder häufiger Menschengruppen und wir könnten nur durch Lug, Betrug, Raub und Mord in dieser Welt überleben. Ich nenne das die sozialdarwinistische Sicht. Praktisch alle Kollektivisten sind sich einig, dass ihre Rasse, Klasse, Glaubensgemeinschaft in einem fundamentalen Konflikt mit anderen existieren würde, der nur durch Bekehrung Andersgläubiger oder Auslöschung der anderen Gruppe beigelegt werden kann. Die Harmonie der Interessen besteht hingegen immer, wenn wir die Freiheit und das Recht haben, vernünftig zu sein, also weitgehend auch in einer semi-freien Gesellschaft wie der unserigen und zwischen Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen.
Mit der Aussage, es gäbe keine Konflikte zwischen rationalen Menschen, ist nicht gemeint, dass es überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten zwischen rationalen Menschen gäbe. Da wir unterschiedlich sind, da wir auch ehrliche Fehler machen können, da wir unterschiedliches Wissen und verschiedene Interessen haben, werden wir uns nicht immer automatisch einig sein. Achten wir jedoch die Rechte und Freiheiten unserer Mitmenschen und verhalten uns vernünftig, steht einem harmonischen Miteinander nichts im Wege.
Das Quadrat von David Sloan Wilson

Der Evolutionsbiologe David Sloan Wilson vergleicht in einem Artikel fundamentalistisch-religiöse Weltbilder mit dem Objektivismus und gelangt zum Ergebnis, dass sie die Idee einer Interessensharmonie gemein hätten. Das ist nicht gerade das erste Mal, dass linke Kollektivisten (und Sloan Wilson ist sogar in seiner Forschung, in der er im Gegensatz zum Mainstream von der Gruppenselektion ausgeht, Kollektivist!) eine solche Behauptung in den Raum stellen, aber seine Argumentation und die Art, wie er seine wissenschaftliche Autorität benutzt, um sie zu untermauern, ist ganz besonders perfide.
Vgl: David Sloan Wilson: Ayn Rand and Modern Politics
Sloan Wilson schreibt, dass sowohl Fundamentalisten als auch Objektivisten an eine Welt ohne Kompromisse glauben würden. Wenn man auf eine bestimmte Art handelt, dann ist das gut für alle, ohne dass manche gewinnen und andere verlieren. Tatsächlich sei es hingegen folgendermaßen im Leben: “Es gibt Win-Win-Situationen, in denen jeder gewinnt, Lose-Lose-Situationen, in denen jeder leidet, Win-Lose-Situationen, wo ich auf Kosten anderer gewinne und Lose-Win-Situationen, wo ich Opfer bringen muss, um anderen zu nutzen.“
Wenn man das so ausdrücken möchte, dann befasst sich die objektivistische Ethik mit der Frage, wie man Win-Win-Situationen mehren und die anderen drei Varianten vermeiden kann. Wenn es sowieso immer die vier Situationen von Sloan Wilsons Quadrat gäbe, dann könnte man sich eine Ethik gleich ersparen. Dann wäre das einfach so und fertig. Manchmal gewinnt man und manchmal verliert man.
Der kürzlich verstorbene Philosoph Allan Gotthelf, Mitbegründer der Ayn Rand Society, schrieb folgendes über unsere Auffassung der Interessensharmonie:
Doch ich glaubte, oder nahm vielleicht nur an, dass diese beiden Überzeugungen im Konflikt miteinander waren – dass man nicht zugleich sein eigenes Glück anstreben und die Rechte anderer vollends respektieren und in fundamentaler Harmonie mit ihnen leben kann. Atlas Shrugged sprengte dieses Gefühl von Widerspruch einfach aus meinen Gedanken.
Atlas zeigte, dass sich diese Überzeugungen keineswegs widersprachen. Es zeigte, dass sein eigenes Glück als höchsten Wert anzusehen moralisch absolut richtig ist und dass wenn und nur wenn Menschen ihr eigenes Glück auf vernünftige Weise anstreben, „weder andere für sich noch sich für andere aufopfern“, Harmonie zwischen Menschen nicht nur möglich, sondern unvermeidlich ist.
Wir glauben eben nicht an eine Welt ohne Kompromisse, sondern wir glauben, dass man bei fundamentalen Prinzipien keine Kompromisse eingehen sollte. Falls beispielsweise eine Terrorgruppe sagt, sie wird in Deutschland keine Anschläge mehr durchführen, aber nur, wenn sie dafür das Saarland bekommt, dann werden wir darauf nicht eingehen und fertig (Sachsen können sie meinetwegen haben). Erst, wenn man sich auf die Grundregeln einigt, kann man verhandeln – und Kompromisse eingehen. Natürlich gehen wir die ganze Zeit über kleine Kompromisse ein – heute einmal nicht ausgehen, dafür am Wochenende – , aber das sollten wir eben nicht tun, wenn es um grundsätzliche ethische Fragen geht.
Gotthelf spricht aus gutem Grund von „fundamentaler“ Harmonie. Das ist eben nicht die religiöse (bzw. kommunistische) Sichtweise von einem Himmel auf Erden ohne Leid und ohne Streit. Natürlich gibt es die nicht. In laissez-faire-kapitalistischen Nationen mit objektivistischer Kultur gäbe es weiterhin Kriminalität, Armut, Krankheiten, schlechtes Wetter, Ehestreit und all diese Dinge. Die Gesellschaft wäre so gut, wie sie realistischerweise sein könnte – aber natürlich auch nicht besser oder gar utopisch.
Und es ist trotzdem wichtig, dass wir eine Moral und Politik entwickelt haben, deren Prinzipien auf ein harmonisches Miteinander ausgelegt sind. Empirisch betrachtet wird nicht jeder immer rational sein und kein Staat wird jemals vollkommen frei sein. Aber darum die weiße Flagge zu hissen und zu sagen, dass wir es gleich lassen können, weil ein harmonisches Miteinander nicht in Sloan-Wilsons erbärmliches Quadrat reinpasst, erscheint mir vermessen, um nicht zu sagen verantwortungslos.
Dies impliziert nämlich, dass nicht einmal theoretisch eine realistische Möglichkeit – die also nicht der Natur der Dinge und des Menschen metaphysisch widerspricht – besteht, dass wir ohne Ausbeutung, Hintergehung, Raub und Mord miteinander überleben können. Grundsätzlich.
Somit wird aus der Botschaft, dass die Welt komplizierter ist, als wir einfältigen Fundi-Philosophen dies glauben, die Botschaft, dass nur ein Krieg aller gegen alle möglich ist, in dem man manchmal Pech hat und manchmal Glück hat. Manchmal muss man sich aufopfern, manchmal andere, manchmal gewinnen alle, manchmal verlieren alle. Gut, dass Sloan-Wilson kein Pädagoge geworden ist.
Vielleicht könnte man einen bekannten Ausspruch von Karl Marx variieren: „Die Wissenschaftler haben die Welt nur verschieden erklärt, es kommt darauf an, sie zu verändern.“
So lange man im Rahmen des metaphysisch Möglichen bleibt, kann man die Welt und die Gesellschaft natürlich schon zum Guten verändern. Wer würde dem widersprechen, dass unsere semi-freie Gesellschaft bereits erheblich besser ist als Deutschland unter Hitler, Russland unter Stalin, China unter Mao? Oder besser als die islamische Welt? Jedenfalls kein allzu vernünftiger Mensch.
Das Zitat mit der Technik und der Magie stammt von Clarke und nicht von Sagan. Es ist eines der 3 Clarkeschen Gesetze.
ad Sloan: Ist doch eigentlich ganz nett, wenn ein Naturwissenschaftler mal auf einen Besuch in der Geisteswissenschaft vorbei schaut. Bloß blöd, dass er den Unterschied zwischen deskriptiven und präskriptiven Aussagen nicht mitbekommen hat – ich spekuliere mal frei drauf los: Die Verwendung der Interessenharmonie von religiöser Seite kommt vermutlich meistens deskriptiv daher und sagt „So ist es“, während der objektivistische Entwurf präskriptiv sagt „So sollte es sein“?
Deine Position zum Thema Umweltschutz erscheint mir nicht ganz schlüssig.
„Ein Bürger, der mit seinem CO2-Ausstoß in geringem Maße zur Klimaerwärmung beiträgt, verletzt nicht die Rechte anderer und begeht kein Verbrechen.“
Da wäre ich allerdings anderer Meinung. Intakte Natur und intaktes Klima sind offensichtlich ein Wert für denjenigen, der auf dem entsprechenden Gebiet lebt oder Land besitzt, und sein Recht darauf wird durch unerwünschte Klimaveränderungen geschädigt. Dass der Einfluss des einzelnen CO2-Erzeugers auf den einzelnen Landbesitzer minimal ist ändert daran nichts grundsätzliches. Um ein paar Vergleiche zu gebrauchen: Wenn ich als einzelner meinen Biomüll im Wald entsorge oder als einzelne Firma meine schädlichen Abwässer im Fluss entsorge, dann ist der Effekt ebenso minimal – um aber Wald und Fluss sauber zu halten, ist es dennoch allen verboten.
Das Problem mit dem CO2 ist nun freilich, dass keine rechte Alternative zur „Entsorgung“ in der Luft besteht (nicht zu akzeptablen Kosten jedenfalls). Alle Welt erzeugt CO2, im (mehr oder weniger) Wissen darum, dass dies Schäden verursacht, aber einen deutlich höheren Nutzen bringt. Wenn man nun aber die Rechte derer, die dadurch in ihrem Recht auf Nutzung von Land und Natur beeinträchtigt werden, damit in Einklang bringen will, dann muss man die schädigende Wirkung und die Verantwortung der Verursacher wenigstens anerkennen.
Eine Abgabe auf CO2-Ausstoß, die dann zur Entschädigung verwendet wird scheint mir durchaus analog zu normalem Schadensersatz zu stehen.
Verkompliziert wird dies natürlich dadurch, dass der Schaden weder genau bekannt ist, noch genau beschrieben werden kann. Wenn der Bauer etwa (mit wissenschaftlich akzeptabler Sicherheit) durch CO2-verursachte Klimaveränderung einen bestimmten Schaden erleidet, dann lässt sich das bemessen und ausgleichen. Wenn aber ein Privatbürger sich durch die Hitze oder die verändernde Vegetation gestört fühlt, dann lässt sich das nicht in Geld bemessen – es lässt sich nicht einmal genau sagen, wie viel Recht er tatsächlich an seiner Umwelt hat (die ihm ja nicht im klassischen Sinne gehört).
Wert und Recht sind zwei paar Schuhe. Gute Kopfhörer sind für mich ein Wert, aber ich habe kein Recht darauf.