Bei der Debatte über den Germanwings-Absturz habe ich einen Kommentar gelesen, der alles Schlechte auf der Welt in sich verkörpert. Glücklicherweise erinnere ich mich nicht mehr, wo ich ihn gelesen habe. Der Kommentator meinte, dass man bei der Pilotenprüfung in Zukunft darauf achten soll, dass sich ein Kandidat nicht eisern das Ziel gesetzt hat, unbedingt Pilot werden zu wollen. Wenn er unbedingt Pilot werden will, soll er es nicht werden dürfen. Denn Andreas L. wollte unbedingt Pilot werden, das war ihm aufgrund seiner Krankheit nicht länger möglich, also wäre seine Karriere beendet gewesen. Darauf reagierte er, indem er das Flugzeug abstürzen ließ.
Tatsächlich ist es gut und nicht schlecht, sich eisern ein Ziel zu setzen. Schlecht ist es, 150 Menschen umzubringen, wenn man das Ziel nicht erreicht. Gut ist es aber, sich ein großes Karriereziel zu setzen, einen Sinn im Leben zu haben, und darauf hinzuarbeiten. Ich weiß, es ist eine subtile Unterscheidung, zu subtil für die Meinungsmacher, denen man erlaubt, öffentlich und mit weiter Verbreitung verheerende Kommentare zu publizieren. Auf der einen Seite haben wir inspirierte Menschen, die einmal Pilot, Astronaut, Schauspieler, Schriftsteller, Präsident werden wollen. Auf der anderen Seite haben wir Massenmörder. So gut wie immer, wenn Menschen mit ihrem großen Ziel scheitern, begehen sie darum keinen Mord. Einige wenige Menschen können es nicht verkraften und tun sich selbst etwas an. So gut wie niemand begeht darum einen Mord.
Diejenigen, die besser sind als der schäbige Rest, die ein Ziel im Leben haben, einen Sinn darin sehen, die etwas Großes erreichen wollen – die sollen besser gar nicht erst zugelassen werden als Pilot, als Astronaut, Schauspieler, Schriftsteller, Präsident. Denn sie machen sich durch ihr Ziel verdächtig. Jemand, der unbedingt Pilot werden wollte, hat schließlich Morde begangen, als er seinen Traum nicht mehr leben konnte. Das machte Träume an sich verdächtig. Das macht ambitionierte Menschen an sich verdächtig. Am besten, wir nehmen einfach alle irgendeinen Job, in den wir zufällig hineinrutschen. Bloß nichts anstreben.
Am besten, man setzt stattdessen den die Großen, Außergewöhnlichen bespuckenden Kommentatorenhaufen in ein Flugzeug und rammt es in den nächstbesten Berg. Das wäre jedenfalls besser, als auf zukünftige Mozarts, Einsteins und Goethes zu verzichten, nur weil sich ambitionierte Menschen für irgendwelche durchschnittlichen Kommentatoren ohne Ziel im Leben – etwa gute Kommentare zu schreiben – „verdächtig“ machen. Das richtet der christliche Ungeist noch immer an, die Guten niederzumachen, ihnen Steine in den Weg zu legen, weil sie gut sind und weil sie nicht die geistig Armen und der moralische korrupte Kommentatorenhaufen sind, der die Erde erben soll.
Und in diesem Kontext hatte Nietzsche dann doch wieder Recht:
Nein, das Ziel der Menschheit kann nicht am Ende liegen, sondern nur in ihren höchsten Exemplaren.
Man verdirbt einen Jüngling am sichersten, wenn man ihn anleitet, den Gleichdenkenden höher zu achten, als den Andersdenkenden.
Im Grunde haben alle Civilisationen jene tiefe Angst vor dem „großen Menschen“, welche allein die Chinesen sich eingestanden haben, mit dem Sprichwort „der große Mensch ist ein öffentliches Unglück.“
Ihr habt den Weg vom Wurme zum Menschen gemacht, und vieles ist in euch noch Wurm.
Wenn es Götter gäbe, wie hielte ich’s aus, kein Gott zu sein! Also gibt es keine Götter.
Wer das Hohe eines Menschen nicht sehen will, blickt um so schärfer nach dem, was niedrig und Vordergrund an ihm ist — und verräth sich selbst damit.
Man wird am besten für seine Tugenden bestraft.
Der getretene Wurm krümmt sich. So ist es klug. Er verringert damit die Wahrscheinlichkeit, von neuem getreten zu werden. In der Sprache der Moral: Demut.
Man muss der Menschheit überlegen sein durch Kraft, durch Höhe der Seele, – durch Verachtung…
In Wahrheit heißt etwas wollen, ein Experiment machen, um zu erfahren, was wir können; darüber kann uns allein der Erfolg oder Misserfolg belehren.