Die Stammeskrieg-Diskussionskultur

Libertäre haben auf Twitter auf meinen Beitrag gegen das „Untergrund“-Argument eingeschlagen. Sie wüteten ausschließlich gegen Thesen, die ich nie aufgestellt habe. Im Beitrag argumentiere ich weder für noch gegen ein Verbot von Drogen und Prostitution, sondern es geht einzig um das „Untergrund“-Argument. Tatsächlich hatte mir ein Kritiker sogar vorgeworfen, dass ich nur darüber rede und nicht sage, was er hören will. Pecht gehabt.

Es geht auch nicht darum, Mord, Diebstahl, Drogenhandel und Prostitution gleichzusetzen. Die Argumentation bewegt sich auf einer abstrakteren Ebene, bei der es nur darum geht, dass man Dinge verbieten sollte, wenn man aus guten Gründen meint, dass sie verboten sein sollten – und es keine Rolle zu spielen hat, ob Leute diese Dinge insgeheim doch tun. Nun mag es gute Gründe geben, Mord zu verbieten und Drogen nicht, aber das ist in diesem Zusammenhang völlig egal. Es geht nur darum, ob es ein gutes Kriterium gegen ein Verbot ist, dass Leute sich vielleicht nicht an ein Verbot halten.

Nun hieß es, dass die Strafverfolgung von Drogenmissbrauch mehr koste als sie bringe. Es würden nur relativ wenige Fälle aufgeklärt und die Leute nähmen doch weiter Drogen. Ebenso gingen sie weiter zu Prostituierten, auch wenn Prostitution verboten sei. Dasselbe könnte man allerdings über Kindesmissbrauch sagen. Kindesmissbrauch findet überwältigend im privaten Umfeld statt und die meisten Fälle werden nie angezeigt. Die Strafverfolgung bringt also gewissermaßen nicht viel, die Leute missbrauchen weiterhin Kinder. Sollte man darum Kindesmissbrauch erlauben? Es ist einfach eine bekloppte Schlussfolgerung. Dass es verboten ist, sendet das Signal, dass die Gesellschaft keine Toleranz dafür erübrigt.

Und an dieser Stelle könnte man nun auf die übliche Twitter-Art mir vorhalten, ich würde Drogenkonsum, Prostitution und Kindesmissbrauch gleichsetzen wollen. Dabei geht es darum eben nicht, sondern um das „Untergrund“-Argument. Und um nichts anderes. Ist es relevant für ein Verbot, ob Leute insgeheim etwas weiterhin tun, wenn es verboten wird, oder ist es nicht relevant? Ich finde es nicht relevant. Ganz egal, ob Drogen und Prostitution legal oder illegal sein sollten.

Schließlich hatte ich am Ende des Artikels die Aussage auf den Punkt gebracht:

Man kann aus moralischen Gründen für oder gegen ein Verbot einer Sache sein, aber dass Leute „im Untergrund“ gegen Verbote verstoßen und dass wir deshalb gar nicht erst Dinge verbieten müssten, ist eine lächerliche, peinliche und absurde Idee.

Drogen, Prostitution, Diebstahl, Kindesmissbrauch und Mord stehen in diesem Kontext lediglich für austauschbare „Dinge, die verboten sind oder sein könnten“. Ansonsten müssen sie nichts gemein haben. Es kann theoretisch sein, dass manche davon legal und andere illegal sein sollten oder dass alle legal oder illegal sein sollten. Das wären Themen für andere Beiträge. Zweifellos wird mir nun jemand unterstellen, ich wäre der Meinung, dass alle davon legal sein sollten.

Abtreibung

Ebenso hatte ich bei meinem Beitrag über die Abtreibung keine Position bezogen, abgesehen von einer Arbeitshypothese. Ich hatte Ayn Rands Argumente für ein Recht auf Abtreibung zusammengefasst und anschließend die Argumente zweier Kritiker, welche die üblichen katholisch-philosophischen Argumente gegen ein Recht auf Abtreibung Rand entgegenhielten. Abtreibungsgegner konnten sich die obere Hälfte des Beitrags herausziehen, sie mir als meine Position unterstellen und drauf einschlagen und Abtreibungsfans die untere Hälfte. Aber es hätte eben nichts mit meinen eigentlichen Aussagen zu tun.

Veganismus

Dann gab es noch eine Diskussion über den Veganismus. Ich kritisierte die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt dafür, die für den Veganismus erforderliche Ernährungskompetenz zu unterschätzen. Ich führte die Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und einen Artikel über bestimmte Omega-3-Fettsäuren an, die der Körper nur in geringer Menge synthetisieren kann. Ich sagte auch, dass ich bereits weitgehend auf Fleisch und Tierprodukte verzichte mit Ausnahme von Milch, Käse und Fisch. Ich wäre grundsätzlich bereit, auf diese auch noch zu verzichten. Aber nicht, wenn es meiner Gesundheit schadet.

Jeder Veganer mit einem halben Gehirn würde sich nun bemühen, mir die fundierten Bedenken zu nehmen. Alleine schon, weil davon auszugehen ist, dass viele andere Leute mitlesen. Stattdessen gab es persönliche Andekdoten, Strohmänner und persönliche Angriffe der untersten Schublade. Es wäre erforderlich gewesen, aufzuzeigen, dass die breite Bevölkerung ohne großartige Ernährungskompetenz (die sie nie haben wird) zum Veganismus wechseln kann.

Jeder Nicht-Veganer, der die Diskussion liest, muss Veganer für eine überhebliche Sekte halten. Wäre ich Mitglied einer Sekte, würde ich versuchen, diesen Verdacht von mir abzuwenden, indem ich die Sorgen der Menschen ernstnehme, auch wenn nur vorgeschobene Argumente herauskommen. Ich würde nicht mit roten Buchstaben groß auf meine Brust „arrogante Sekte“ schreiben. Aber sie befinden sich in der Mehrheit in der Diskussion und verzichten daher auf eine Kommunikationsstrategie.

Und das finde ich schade, weil ich im Grunde offen bin für den Veganismus.