Gestern waren die Leute mit hysterischem Kreischen bezüglich des Themas Transgender befasst, heute hyperventilieren sie über Abtreibung. Worum es bei Transgender überhaupt ging, weiß ich noch immer nicht genau. Die Forschung dazu ist sehr unterentwickelt. Keine Ahnung, woher andere Leute ihre Informationen beziehen, dass sie sich mit einer so vehementen Sicherheit dazu äußern.
Das Thema Abtreibung ist seit einigen Jahrtausenden Gegenstand philosophischer Betrachtungen. Leider interessieren die niemanden mehr. Wir haben einfach recht und sind moralisch überlegen mit der Liberalisierung von Abtreibung und die USA sind rückständig und auf dem Weg zurück ins „Mittelalter“. Damit ist nicht das real existierende historische Mittelalter gemeint, als die katholische Kirche die Abtreibung bis zu mehreren Wochen bis Monaten nach Empfängnis erlaubt hatte (ja, das stimmt).
Nein, offenbar geht es um ein mythologisches „Mittelalter“. Wir sind so fortschrittlich, dass wir nur noch in Mythen denken, während wir uns in unserer moralischen Überlegenheit sonnen beim hysterischen Herumkreischen.
Deutschland ist nun irgendwas mit fortschrittlich, weil wir die Abtreibung liberalisiert haben. Und die USA sind rückschrittlich, weil sie es den Bundesstaaten überlassen haben, darüber zu entscheiden. Deutschland gibt sich empört und freut sich über die eigene moralische Überlegenheit, weil es das Töten ungeborener Kinder vereinfacht hat.
Ein Beispiel ist dieses Funk-Video des Öffentlich-Rechtlichen. Die Wahrheit ist übrigens, dass Roe vs. Wade ein sehr schlecht begründetes Urteil war, das irgendwann aufgehoben werden musste. Nein, das hat nichts mit Frauenrechten zu tun, sondern ist ein komplexes legalistisches Thema. Aber was sage ich. Interessiert ja keinen.
So einfach ist es also. Dieses Thema der Abtreibung mit einst höchst komplexen philosophischen Erwägungen auf mehreren Ebenen. Sogar die angeblich so dogmatische katholische Kirche hat mehrmals in ihrer Geschichte ihre Meinung zum Thema Abtreibung verändert, weil das Thema so facettenreich ist und es so schwierig ist, eine klare moralische Position dazu einzunehmen.
Ich breche einmal mehr die Lanze für die Vernunft und schließe mich dem Philosophieprofessor Dr. Michael Huemer an, der in Abortion is Difficult schreibt:
„Falls Ihnen das Thema Abtreibung sehr einfach und offensichtlich erscheint, dann sind Sie wahrscheinlich ein dogmatischer Ideologe und Ihre Ideologie hält sie davon ab, diese sehr subtile, komplexe Frage zu würdigen.
Abtreibung ist ein intellektuell höchst interessantes Thema, das mit allen möglichen bedeutenden – und sehr schwierigen sowie kontroversen – Fragestellungen zusammenhängt: Fragestellungen über die persönliche Identität, Potenzialität, das Fundament von Rechten, die physische Grundlage des Bewusstseins, das Prinzip der Doppelwirkung, besondere Verpflichtungen gegenüber der Familie, negative vs. positive Rechtskonzepte und das Problem der moralischen Unsicherheit.“
Wir sind heute so aufgeklärt, dass wir keine Vernunft mehr brauchen.