Konservative und Progressive: Mystiker der Moderne

Dieser Beitrag als YouTube-Vortrag.

Die „linke“ und die „rechte“ Weltanschauung sind beide Produkte eines revolutionären Zeitalters. Im 18. Jahrhundert bekriegten sich die Befürworter und Gegner der Feudalordnung des „Ancient Regime“ gegenseitig. Auch die moderne konservative Denkweise war ein Produkt dieser Zeit.

Während Linke einer Utopie von Gleichheit und Freiheit entgegensahen, blickten Rechte einer Utopie autoritärer Hierarchien mit moralisch erhabenen Königen und Bischöfen entgegen. Auch diese utopische Denkweise war ein gedankliches Konstrukt, das an der Realität scheiterte. Mit ihren real existierenden Königen und Bischöfen waren die Freunde des Ancien Regime sehr unzufrieden.

Primitives Schwarz-Weiß-Denken

Den beiden Weltanschauungen inhärent ist eine Schwarz-Weiß-Aufteilung der Menschheit in eine moralisch erhabene und eine moralisch verkommene Kaste. Auf der einen Seite Linke, die angeblich nur nicht arbeiten wollen, auf der anderen Seite Rechte, die angeblich nur Arbeiter ausbeuten möchten. Naive Fortschrittsoptimisten, die uns in den Untergang führen mit ihren blinden Visionen, und rückständige Reaktionäre, die alles Neue aus Prinzip ablehnen.

Nun könnte man kritisieren, dass dies Vereinfachungen sind und Menschen nicht wirklich so Schwarz-Weiß denken. Viele Menschen werden sicher die Welt nuancierter betrachten. Doch ich habe nun genügend Leute im Leben kennengelernt, die tatsächlich dieses einfache Weltbild, sei es konservativ oder progressiv geprägt, inbrünstig verteidigen.

Auf der einen Seite haben wir also Konservative, die einfach alles Neue ablehnen, weil es neu ist. Die Sparte reicht historisch von Theater, gedruckten Büchern, Comics, Fernsehen, Videospielen bis Social Media, von der Ablehnung von gleichen Rechten für die Unterschicht, für Frauen, für Juden bis hin zu den Rechten von Homosexuellen und Transmenschen.

Auf der anderen Seite halten Progressive alles Neue für automatisch gut. Computer waren sofort gut, das Internet, soziale Medien waren großartig für den Online-Aktivismus, die Blockchain und NFTs — fantastische Ideen. In der Vergangenheit fanden Progressive die Evolutionstheorie gleich überzeugend, dann fanden sie auch die Eugenik sofort gut — die war ein Trend unter Sozialdemokraten. Sie fanden die trendige freie Liebe gut, dann fanden sie die Trennung der Kinder von ihren Familien und die staatliche Indoktrination der Kinder in der Sowjetunion und in Maos China gut.

Wie gelangt man an Wissen?

Was diese Weltanschauungen mystisch macht, ist die Art, wie ihre Vertreter an Wissen zu gelangen glauben. Nämlich, indem sie das Wissen einfach irgendwie haben. Sie wissen automatisch, dass neue Dinge einfach gut oder einfach schlecht sind. Mittelalterliche Mystiker glaubten, durch eine innere Einsicht, subjektive Erfahrung, durch einen nur für sie erkennbaren Draht zu höheren Mächten an Wissen gelangen zu können.

In der realen Welt können wir nicht automatisch wissen, ob etwas Neues gut oder schlecht ist. Oftmals sind einige Aspekte des Neuen für bestimmte Zwecke gut, einige Aspekte für bestimmte Zwecke schlecht.

Wir müssen Neues ausprobieren, Neues analysieren, Experten in dem Gebiet befragen, aus dem das Neue kommt, es mit dem vergleichen, was wir schon kennen. Wir müssen lernen. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen.

Um an Wissen zu gelangen, müssen wir wie Wissenschaftler denken und wie Philosophen. Nicht wie Mystiker.

Und das ist die Kernbotschaft meines Blogs.

Werbung