von Frederick Ross, Art Renewal Center
Übersetzung: Andreas Müller, M.A. für das Feuerbringer-Magazin
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Siehe auch: Was ist das ARC?
Seit über 90 Jahren findet ein gezielter und unnachgiebiger Versuch statt, die Reputation, die Namen und das Genie der Meister der Akademischen Kunst des späten 19. Jahrhunderts zu verunglimpfen, sie herabzusetzen und auszulöschen. Die herrschenden Mächte halten das globale Kunst-Establishment in ihrem eisernen Griff und werden dabei von einer gefügigen Presse unterstützt. Ebenso hat es einen erfolgreichen Versuch gegeben, die Methoden, Techniken und das Wissen, wie man qualifizierte Künstler ausbildet, aus unseren Hochschulen zu entfernen. Beinahe hätte man 500 Jahre Wissen von entscheidender Bedeutung in den Müll geworfen. Es ist unglaublich, wie die modernistische Theorie mit Hilfe der Unterstützung eines gewaltigen Netzwerks an mächtigen und einflussreichen Kunsthändlern die vollständige Kontrolle über tausende Museen, Kunstfakultäten und die journalistische Kunstkritik erlangen konnte. Wir vom Art Renewal Center haben ihre Theorien vollständig und fair analysiert und sind zu dem Ergebnis gelangt, dass sie in jeder Hinsicht mangelhaft sind. Sie sind substanzlos und bauen auf einem Labyrinth einfach zu widerlegender Denkfehler, willkürlicher Annahmen und Hypothesen auf. Falls Sie, werter Leser, nicht bereits zu einem Opfer ihrer Propaganda geworden sind, ermutige ich Sie, weiterzulesen.
Allen Widerständen zum Trotz und im Angesicht des schlimmsten Spottes und persönlicher und redaktioneller Angriffe, ist es einer kleinen Handvoll gut ausgebildeter Künstler gelungen, ihren Überzeugungen treu zu bleiben. Ähnlich den Helden, die einige seltene Manuskripte während der inquisitorischen Bücherverbrennungen der Vergangenheit beschützen konnten, ist es den Helden der Kunstwelt des 20. Jahrhunderts gelungen, das essenzielle technische Wissen der westlichen Kunst zu schützen und es zu erhalten. Irgendwie ist es ihnen gelungen, ein paar Dutzend entschlossener Nachfolger auszubilden. Heute haben viele dieser ehemaligen Studenten ihre eigenen Schulen oder Ateliers aufgebaut und bilden gerade hunderte mehr aus. Diese Bewegung breitet sich nun exponentiell aus. Sie gewinnen die Traditionen der Vergangenheit zurück, sodass sich diese Kunst erneut auf einem festen Fundament weiterbewegen kann. Wir haben uns verpflichtet, auf jede mögliche Weise dieses unbezahlbare Wissen aufzuzeichnen, es zu erhalten und es zu verbreiten.
Wir haben unter größten Anstrengungen ein Verständnis davon entwickelt, wie und warum die große traditionelle Kunst beinahe verschwunden ist. Das Art Renewal Center hat sich zum Wohle unserer Kinder, unserer Kultur und unserer Nachwelt der traditionellen humanistischen Kunst verschrieben, die für die Gesundheit und das Wohl der Menschheit von essenzieller Bedeutung ist. Und wir haben uns der kritischen und wahrheitsgetreuen Analyse des modernistischen Angriffs gewidmet, der sie beinahe verzehrt hätte.
Während Ihrer Lektüre werden Sie Bilder von Meisterwerken einiger der Künstler sehen, deren Namen und Kunst so erbarmungslos angefeindet wurden: William Bouguereau, John William Waterhouse, Sir Lawrence Alma-Tadema, Leon L’hermitte, John William Godward, Edward Coley Burne-Jones, Jules Joseph Tissot und Lord Frederick Leighton und weitere. Sie alle waren zu ihren Lebzeiten Giganten, sie gehören zu den Größten der Geschichte, aber vor dem letzten Fünftel des 20. Jahrhunderts ist ihre Arbeit praktisch gar nicht erwähnt, gelehrt, analysiert oder ausgestellt worden – nirgends.

Falls Sie irgendwann zwischen 1945 und 1980 Kunstgeschichte studiert haben, hat man Ihnen erzählt, dass es zwischen der frühen Renaissance und der Zeit von David, Constable und Turner im frühen 18. Jahrhundert große alte Meister gegeben hat. Daraufhin hat man Ihnen etwas über Corot und Courbet und die Vorimpressionisten beigebracht und schließlich über die Impressionisten selbst, die den Weg zum Modernismus geebnet haben. Der größte Teil der Zeit von 1850 bis 1910 wurde als schrecklicher Sumpf offizieller Kunst beschrieben, in dem kleinliche Akademische Künstler hirnverbrannte, alberne Bilder gemalt haben – Künstler, die sich nur um die Technik scherten, die aber kein Gefühl hatten und die das Genie der Impressionisten nicht anerkannten. Vielleicht haben Sie gerade einmal einen Absatz über die ganze Zeit gelesen. Vielleicht haben sie auch die Anführer dieser Schurkengalerie erwähnt und somit vielleicht einmal die Namen von Meissonier, Bouguereau, Cabanel, Gérôme, Alma-Tadema, Lord Leighton oder Burne-Jones ausgesprochen, aber Ihnen niemals irgendwelche ihrer Werke gezeigt. Falls sie doch einmal etwas zeigten, war es stets ein schlechtes Beispiel. Ich denke, wir alle wissen, dass auch Rembrandt und Raphael einige durchschnittliche Werke gemalt haben.
Der kunstgeschichtliche Zeitraum von 1850 bis 1910 war beinahe in Vergessenheit geraten. Es war allerdings genau dieser Zeitraum, der einige der größten Kunstwerke und Künstler der Menschheitsgeschichte hervorbrachte. Ich werde Ihnen großartige Beispiele dieser Kunst zeigen und erklären, warum sie zu der weltbesten Kunst gehört. Schließlich werde ich erläutern, was geschehen ist, dass es zu der beinahe vollständigen Auslöschung dieser Kunst aus der Kunstgeschichte kommen konnte, wie sie während eines großen Teils des 20. Jahrhunderts gelehrt wurde. Es war ein Zeitraum, in dem 500 Jahre geballten Wissens von der frühen Renaissance bis zur Gegenwart den absoluten Gipfel ihrer Entwicklung erklommen. Es war eine Zeit, als die Techniken und das Wissen, wie man großartige Kunst erschafft und wie man dieses Wissen an die nächste Generation weitergibt, an ihrem absoluten Zenit angekommen waren. Es war eine Zeit, als die Arbeit und der Schweiß von 30 vorhergegangenen Generationen ergebener Künstler eine Kodifizierung von Methoden, Maßstäben und Techniken hervorbrachten, die den Höhepunkt der Kunst des Klassischen Realismus darstellt.
„Männer wie Henry James, Frederic Chopin und Charles Dickens vergötterten diese Akademischen Meister.“
In der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es unzählige große Kunst-Ateliers und Kunst-Akademien, die tausende bestens ausgebildeter und vollendeter Künstler hervorbrachten, die in Dutzenden verschiedener Stile malten und die verschiedenste Themen behandelten. Die Besten der Besten von ihnen gehörten eindeutig zu den größten Genies der westlichen Zivilisation. Es ist eine unglaubliche Ironie, dass die Größten aller Zeiten am stärksten verunglimpft werden sollten. Männer wie William Adolphe Bouguereau, Jean-Léon Gérôme, Jules Breton, Jules Bastien-Lepage, Jean Francois Millet, Jehan Georges Vibert, Edward Burne Jones, Fredrick Lord Leighton, Edward Poynter, Sir Lawrence Alma-Tadema, John William Waterhouse, Leon L’hermitte, Sir Frank Dicksee, Sir John Everett Millais, Alexander Cabanel und Jules Lefebvre. Diese Namen, von denen Ihnen viele neu sein werden, waren bei der Intelligenz der 1890er ebenso bekannt wie Cézanne, Picasso, Matisse, De Kooning, Jackson Pollock und Andy Warhol es heute sind. Sie waren allgemein bekannte Namen. Man stellte sich manchmal in Schlangen um mehrere Häuserblocks an, um Ausstellungen ihrer Werke zu sehen. Die Reichen und die Armen, gewöhnliche Bürger und Prominente liebten gleichermaßen ihre Werke.
Männer wie Henry James, Frederic Chopin und Charles Dickens vergötterten diese Akademischen Meister. Hätten solche Männer, über deren großes künstlerisches Genie wir uns alle einig sind, einen so schlechten Geschmack haben können, dass sie Kunst schätzten, von der uns die Ideologen unserer Zeit Glauben machen möchten, dass sie so schlecht war?
Bouguereau ist einer der Erzschurken der Geschichten, die uns moderne Historiker erzählen. Ich werde mich in dieser Besprechung vor allem auf ihn beziehen, da er zunehmend von tausenden Studenten, Sammlern, Kuratoren und Kunstliebhabern als einer der Großen der Geschichte geehrt wird. Bouguereau wird immer mehr zuerkannt, Seite an Seite neben Leonardo, Caravaggio und Rembrandt stehen zu dürfen.
Genau wie Rembrandt 100 Jahre nach seinem Tod beinahe in die Vergessenheit verbannt wurde, so sollte dies auch Bouguereaus Schicksal sein. Eine der bekanntesten Geschichten über Rembrandt betrifft sein Gemälde Die Nachtwache. Nach seinem Tod wollte es niemand haben. Schließlich erklärte sich die Leitung einer Sporthalle einverstanden, es an der Rückwand aufzuhängen, falls der obere Fuß des Gemäldes abgeschnitten würde, damit es passt. Heute ist dieses künstlerische Meisterwerk nur noch in einer entstellten Form bekannt.

Der Großteil der Kunst im 19. Jahrhundert in Europa und Amerika ist als „akademisch“ bezeichnet worden. Dieser Begriff wird abschätzig oder abweisend gebraucht wie „belanglos“ und „uninspiriert“. Tatsächlich bedeutet „akademisch“ aber vielmehr eine Hingabe an Maßstäbe der Vortrefflichkeit in der Ausbildung und künstlerischen Umsetzung. An das Lernen mit großer Disziplin und Leidenschaft, und an die Methoden, Entwicklungen und Durchbrüche vorheriger Generationen. Der Gedanke lautet, auf dem Weg in die Zukunft auf den vergangenen Errungenschaften der Kunst aufzubauen, wobei wir mit diesen Errungenschaften der Vergangenheit sehr genau vertraut sind. Das ist die wahre Bedeutung von „akademisch“.
Diese Künstler übten in Ateliers. Was war ein Atelier? Für jene von Ihnen, die es nicht wissen: Ein akzeptierter Meister, der selbst von einem vorhergehenden Meister ausgebildet worden war, wählte sechs oder acht hoch talentierte junge, aufstrebende Künstler aus, die mit ihm als Lehrlinge zusammenlebten. Sie erhielten eine tiefgehende Ausbildung von ihm und aßen, tranken, atmeten geradezu 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche Kunst. Außerdem schliefen sie neben ihr. In den ersten sechs Monaten ihrer Ausbildung taten sie nichts anderes, als die Zeichnungen der Alten Meister zu kopieren, denn Zeichnen wurde als Rückgrat jeglicher Errungenschaft in der Kunst betrachtet.
Daraufhin zeichneten sie Studien von Gipsabdrücken, um das Modellieren zu erlernen, um dann ein weiteres Jahr damit zu verbringen, Zeichnungen von lebenden Modellen anzufertigen. Erst wenn sie das Handwerk des Zeichnens gemeistert hatten, durften sie einen Pinsel ergreifen und die Kunst des Malens erlernen. Nach fünf oder sechs Jahren Ausbildung durften sie dann womöglich anfangen, selbst Kunstwerke zu erschaffen, die man als wirklich professionell bezeichnen könnte. Es genügt zu sagen, dass mit den Methoden der Ateliers, die in der Frührenaissance in den Gilden und Künstlerwerkstätten von Giotto und Rogier Van Der Weyden ihren Anfang genommen hatten, Wissen von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Einige dieser Schüler wurden selbst zu Meistern, ergänzten dieses Wissen und brachten es dann einer weiteren Generation bei. Im 19. Jahrhundert gewann dieses Konzept weiter an Aufwind und spiegelte somit das beschleunigte Lernen in jedem anderen Bereich des menschlichen Strebens wider. Die industrielle Revolution zementierte den Glauben an den sich mit immer höherer Geschwindigkeit immer weiter ausweitenden Fortschritt. Dieser Glaube war der Kunst des Malens am klarsten anzusehen, wie auch der Bildhauerkunst.
„Sie malten das Stadtleben, das Landleben, religiöse Gemälde, literarische Gemälde, Beziehungen zwischen Freunden, Familienleben und Liebhaber, das Leid der Geknechteten und die Missstände der Gesellschaft, den verlogenen Pomp der High Society und die selbstgefälligen Kleriker, die heuchlerisch im Schoße des Überflusses und des Luxus lebten.“
Im Ergebnis gab es im 19. Jahrhundert eine Explosion künstlerischer Aktivität, die in der vorherigen Geschichte ihresgleichen sucht. Tausende ordentlich ausgebildete Atelier-Künstler entwickelten eine Myriade neuer Techniken und erkundeten unzählige neue Gegenstände und Perspektiven, mit denen man sich noch nie zuvor befasst hatte. Sie beschäftigten sich mit beinahe jedem Aspekt des menschlichen Treibens. Sie malten das Stadtleben, das Landleben, religiöse Gemälde, literarische Gemälde, Beziehungen zwischen Freunden, Familienleben und Liebhaber, das Leid der Geknechteten und die Missstände der Gesellschaft, den verlogenen Pomp der High Society und die selbstgefälligen Kleriker, die heuchlerisch im Schoße des Überflusses und des Luxus lebten. Es gab in der ästhetischen Bewegung Englands sowie in der französischen und deutschen Romantik Schönheit als Selbstzweck sowie eine vollständige und umfassende Erkundung der Literatur, der Fantasien, Hoffnungen und Träume der Menschheit.
Am zutreffendsten würde man diese akademischen Künstler als „Humanisten“ bezeichnen. Während Sie weiterlesen, sollten Sie gedanklich beim Begriff „Menschheit“ oder „Humanismus“ verweilen. Dies ist wahrscheinlich das hauptsächliche, definierende Charakteristikum der Kunst des 19. Jahrhunderts. Es ist das Konzept, das sie am eindeutigsten von der vom Establishment verehrten Kunst des 20. Jahrhunderts unterscheidet, die man hingegen besser als existenzialistisch, destruktiv und nihilistisch verstehen kann. Falls es das also einfacher macht, diese Künstler einzuordnen, so schlage ich als passenden aussagekräftigen Ausdruck „Traditioneller Humanismus“ vor. Ich möchte Ihnen einen Überblick über die Arten und Stilformen des Malens bieten, die im 19. Jahrhundert populär waren und dann kurz den Gründen nachgehen, warum sie bis zum Ende der 1970er Jahre beinahe ohne Aufhebens in Vergessenheit geraten konnten. Hierauf werde ich Ihnen erklären, warum in den späten 1970ern und frühen 1980ern eine erneute Würdigung des Realismus des 19. Jahrhunderts ihren Anfang nahm und nun in den letzten zehn Jahren endlich eine kritische Masse erreicht hat – einen Wendepunkt, an dem sie schnell zu einer Flutwelle heranwächst, die sich über das Bewusstsein der Kunstwelt ergießt.
Warum hat man einige dieser Künstler während ihrer Lebzeiten zu den Größten der Geschichte gezählt, warum sind sie in Ungnade gefallen und warum zieren sie erneut die Wände der angesehensten Museen der Welt?
Tatsächlich gab es alleine in den letzten zwei Jahren eine große Retrospektive der Werke von Sir Lawrence Alma-Tadema im Van Gogh Museum in Amsterdam. Es gab eine Ausstellung über Lord Frederick Leighton, der zwanzig Jahre lang, von 1875 bis 1895, Präsident der Königlichen Akademie der Künste gewesen ist, in der Königlichen Akademie in London. Im Sommer 1998 gab es eine große Retrospektive von Werken von Edward Coley Burne-Jones im Metropolitan Museum in New York, wo sie ihn als einen der größten britischen Künstler des 19. Jahrhunderts neben Turner und Constable würdigten. Ebenfalls im Jahre 1998 fand eine Ausstellung in der Nationalgalerie in Washington namens „The Victorians“ statt. Dort wurden die größten britischen Künstler des 19. Jahrhunderts ausgestellt, wobei The Lady of Shalott von Waterhouse auf dem Cover des Katalogs zu sehen war.

Aktuell findet im Winter und Frühjahr 2000 eine Ausstellung über die Künstlerinnen der Akademie Julien in Paris statt, die im Clark Museum in Williamstown im Staate Massachusetts angefangen hat und die dann bis zum Mai 2000 ins Danesh in Manhattan und während des Septembers in das Dixon in Memphis zieht. Sie heißt „Alle Hindernisse überwinden“. Keiner dieser Künstler war vor 25 Jahren irgendwo anzutreffen. Heute sind sie überall.
Was war geschehen? Was nur hätte ein künstlerisches Erbe und eine künstlerische Tradition nach 500 Jahren so in den Augen der Welt herabsetzen können?
Drei Dinge erklären die Hälfte davon: Der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise. Welche schrecklichen Katastrophen hatten die Welt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in ihrem Griff gehalten? Welche unaussprechlichen Gräuel und Tragödien hatten das Leben von mehreren zehn Millionen Menschen dahingerafft, die im Krieg und an Hunger gestorben waren? Jemand war dafür verantwortlich! Jemand war dafür verantwortlich zu machen. Das konnte nicht einfach das Schicksal gewesen sein. Gott hätte nicht wollen können, dass die Menschheit so leidet.
Der eindeutige, naheliegende und einfache Sündenbock für alles, was schief gelaufen ist, war einfach: „Die Alte Ordnung“.
Nicht nur die Anführer waren schuld. Die ganze vorhergehende Generation war verantwortlich zu machen. Das sieht nun nach einer absurd pauschalen Zuweisung von Schuld aus. Und mit ihnen wurde alles, woran sie geglaubt und was sie respektiert hatten, bestritten, diskreditiert und entweiht. Die Künstler, die sie geliebt hatten, wurden als ihre Lakaien und Unterstützer eingeordnet und ihre Kunst wurde auf jede erdenkliche Weise in jedem möglichen Format herabgesetzt. Die Leute hörten sogar auf, sich die Kunst dieser großen Traditionellen Humanisten des 19. Jahrhunderts anzusehen. Sie musste einfach schlecht sein. Schaut euch schließlich an, wer sie unterstützt hat, die Alte Ordnung! Jahrzehntelang hat es keinen Versuch mehr gegeben, sich mit einem unvoreingenommenen Blick anzusehen, was die Künstler taten, was sie sagten und erreichten.
Lassen Sie mich mit deutlichen Worten feststellen, dass die Kunstgeschichte-Lehrbücher seit der Mitte dieses Jahrhunderts in ihren Beschreibungen dieses Zeitalters mit nichts als Verzerrungen, Halbwahrheiten und ausgemachten Lügen gefüllt sind. In ihrer Verantwortung als Historiker, die Wahrheit über das Geschehene so objektiv wie möglich zu berichten, haben sie versagt. Diese Texte sind nichts anderes als Propaganda-Broschüren für moderne Kunst.
„Mit all diesen Dingen wurden unglaubliche Reichtümer erzielt. Unglaubliche Reichtümer sind noch immer auf Gefahr der Eigentümer in diesen Kunstwerken investiert.“
Der andere entscheidende Grund wäre die Erwägung bedeutender ökonomischer Anreize für die Kunsthändler, dieses neue modernistische Ethos von ganzem Herzen zu unterstützen. Falls man mit Alma-Tadema oder Bouguereau handelte, hatte man eine Liste von hundert Kunden, die ihre Werke kaufen wollten. Ihre Maltechnik erlaubte ihnen jedoch nur, alle drei bis acht Wochen eine Leinwand zu bemalen, also stand man Nägel kauend da und wartete auf jede einzelne Leinwand, von der man wusste, dass sie lange vor ihrer Fertigstellung verkauft war. Modernisten konnten hingegen jeden Tag eine ganze Leinwand fertigstellen. Manche taten sogar noch mehr als das. Das galt auf jeden Fall für all die großen Namen. Ob wir von Picasso sprechen, von Mondrian, Matisse oder De Kooning. Viele ihrer Werke konnten in einigen Tagen oder in einigen Stunden vollendet werden. Ihre Händler hatten nun ein enormes Angebot auf Lager für jede Nachfrage, die sie generieren konnten. Sie hatten eine hohe Motivation, aufzuzeigen, dass diese Gemälde nicht nur so wertvoll waren wie jene der letzten Generation, sondern dass sie gar noch wertvoller waren. Und wenn das Geld von diesem vollendeten Schwindel hereinströmte, dann konnten sie sich Historiker, Autoren und Kritiker kaufen, die gerne bereit waren, komplexe, gewundene Argumente zu entwickeln, um ihre philosophischen Positionen zu rechtfertigen.
Mit all diesen Dingen wurden unglaubliche Reichtümer erzielt. Unglaubliche Reichtümer sind noch immer auf Gefahr der Eigentümer in diesen Kunstwerken investiert.
Ich werde die Veränderung der Einschätzung dieser Zeit auf zweierlei Weise erklären. Erstens werde ich die Mythen untersuchen, welche über diese Zeit verbreitet wurden und heute noch verbreitet werden. Ich werde Bouguereau als das beste spezifische Beispiel gebrauchen, da er es schließlich war, der von den Modernisten am stärksten angefeindet wurde. Dann werde ich, zweitens, mit Ihnen die philosophischen Grundlagen des Modernismus erkunden, die zunehmend kritisiert und analysiert wurden. Sie werden vom blendenden Licht der rationalen Prüfung entblößt. Einer der größten dieser Mythen lautet, dass Bouguereau und seine Kollegen keine Bedeutung für ihre Zeit hatten; dass sie die Stile früherer Zeiten kopierten. Dieses Argument enthält keinen Deut Wahrheit. Bouguereau wurde 1825 geboren, kurz nach der Amerikanischen Revolution und der Französischen Revolution. Diese Aufstände waren die greifbarsten Ergebnisse der neuen Ideen, welche die Aufklärung hervorgebracht hatte, während frühere Jahrhunderte von Ideen über die Vorrangstellung der Religion und von Monarchen eingenommen waren, die durch „göttliches Recht“ herrschten. Bedeutende Schriften wurden besprochen, darunter solche Werke wie Thomas Paines „Die Rechte des Menschen“, Thomas Hobbes „Der Leviathan“ und Alexis de Tocquevilles „Über die Demokratie in Amerika“. In früheren Zeiten gab es großartige religiöse Gemälde des 15. Jahrhunderts, des 16. Jahrhunderts und des 17. Jahrhunderts, Gemälde der Aristokratie und der Oberschicht sowie wichtige historische Szenen während des 18. Jahrhunderts.

Die neuen demokratischen Philosophien steigerten die Achtung vor der gesamten Menschheit. „Liberté, Fraternité, Egalité“, riefen die Franzosen; und die Amerikaner, „Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich, dass alle Mensch gleich geschaffen sind; dass sie alle von ihrem Schöpfer mit bestimmten unverletzlichen Rechten, den Rechten auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück ausgestattet wurden.“ Diese Worte bringen genau die neuen philosophischen und kulturellen Fortschritte der westlichen Zivilisation auf den Punkt, die sich im 18. Jahrhundert zugetragen haben und die im 19. Jahrhundert popularisiert und kodifiziert wurden. Sowohl Amerika als auch Frankreich befanden sich an vorderster Front in der sich verändernden westlichen Welt. Es ist kein Zufall, dass einige der großartigsten Kunstwerke des 19. Jahrhunderts aus diesen beiden Gesellschaften kamen. Und mit diesen sich verändernden Ideen veränderte sich auch die Kunst und brachte viele neue Gruppen und Stilarten hervor. Es gab die Realisten, die das Erhabene des gewöhnlichen Menschen darstellten, der unter dem Joch eines harten Lebens zu kämpfen hatte. Sie versuchten, das Landleben so zu zeigen, wie es wirklich war.
Dann gab es da noch die Idealisten und Romantiker, welche die ganze Menschheit im Sinne der demokratischen Prinzipien und des Respekts für Menschenrechte und -würde feierten. Bouguereau war zweifellos der hervorragendste dieser Gruppe. In einem großen Teil seines Werkes wählt er Bauern und Zigeuner als seine Gegenstände. Wie passend, die niedrigsten der Gesellschaft zu wählen, um die Menschheit auf das Größte zu erhöhen, denn wenn wir den Wert von Bauern und Zigeunern würdigen können, dann muss gewiss die gesamte Menschheit wertvoll sein.
Außerdem machte das Viktorianische Zeitalter durch die Pressefreiheit und durch die Künstler und Schriftsteller der Zeit das Leid der Geknechteten der öffentlichen Meinung zugänglich. Sie haben die ungerechte Behandlung von Frauen, Kindern und Minderheiten klar sichtbar gemacht – das Meiste davon war von vorherigen Generationen und Jahrhunderten geerbt worden.
Statt die Viktorianer zu Unrecht zu kritisieren, könnte man sie ebenso wie ihre Ära dafür anerkennen, die gesellschaftlichen Veränderungen in Bewegung gebracht zu haben, die zur Aufhebung all dieser Ungerechtigkeiten führten.
„Sie werden lebendig, wie ihnen kein Künstler jemals zuvor oder jemals wieder Leben einzuhauchen vermochte.“
Viktorianische Künstler wie Waterhouse, Burne-Jones und Bouguereau liebten und bewunderten Frauen. Es ist kein Zufall, dass in dieser Zeit Frauenrechte das erste Mal offen verfochten wurden. In den nächsten 100 Jahren wurden sie (zum ersten Mal in der Geschichte) beinahe mit Männern gleichgestellt. Louis Sonolet schrieb in der Ausgabe vom Oktober 1907 von „Masters in Art. A Series of Illustrated Monographs“, auf Seite 28:
Bouguereaus erste Frau war eine Französin, die schon früh in der Ehe starb. 1896 heiratete er Miss Elizabeth Gardner aus Exeter, New Hampshire, eine Malerin von anerkanntem Talent, die in den Julier-Kunstschulen eine seiner Schülerinnen gewesen war. Es war Bouguereaus Anstrengungen zu verdanken, wobei er selbst von seiner amerikanischen Verlobten beeinflusst wurde, dass sowohl die Julier-Studios als auch die École des Beaux-Arts ihre bislang eisernen Vorschriften aufhoben und Frauen als Schülerinnen zu ihrem Unterricht zuließen.
Wie man an seinen mythologischen Szenen mit Nymphen, Cupiden, Satyren und an seinen Bibelszenen erkennen kann, feierte Bouguereau mit seinen Gemälden auch die menschliche Kultur und Literatur. Diese gänzlich originellen Kompositionen wurden mit einer unvergleichbaren emotionalen Kraft auf die Leinwand gebracht. Die Geißelung und Der Erste Morgen (Adam und Eva betrauern den Tod Abels) sind beide vollendete Meisterwerke dieses Typus. Die Figuren sind so lebensecht gemalt, dass man sich fühlt, als würde man durch ein Fenster auf ein Ereignis blicken, das in der Zeit eingefroren wurde. Man kann spüren, wie das Blut durch ihre Adern fließt und man sieht das Leben in ihren Augen – Errungenschaften, denen keine Worte gerecht werden können.
Darüber hinaus ist es ihm sogar gelungen, die Seelen und den Geist seiner Gegenstände einzufangen. Sie werden lebendig, wie ihnen kein Künstler jemals zuvor oder jemals wieder Leben einzuhauchen vermochte. Er malte nicht einfach nur ihre Körper besser; er fing die feinsten zarten Nuancen der Persönlichkeit und der Stimmung ein. Er nahm keine Abkürzungen.
Jede Komposition ist unglaublich originell in ihrem Blickwinkel, ihrer Perspektivierung und der Verwobenheit der Figuren, die komplexer und vollendeter ausfallen, als die jedes anderen Künstlers seiner Zeit. Seine Gemälde fühlen sich nie aufgeregt an. Es sind nie überflüssige Elemente eingestreut. Die Landschaft ist gerade genug ausgeführt, um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Figur zu lenken. Er hat meisterhaft die Elemente des exquisiten Zeichnens, unglaublicher Kolorierung, Perspektive, genialer Modellierung und Komposition vereint. Alle wirken harmonisch zusammen. Alle Elemente verstärken die emotionale Ausrichtung jedes Werkes. Um dies zu erreichen, hat er eigensinnige Techniken entwickelt. Häufig erschuf er an Ort und Stelle eine neue Methode, um ein unmittelbares Problem zu lösen. Eine Reihe von Akademikern hat in letzter Zeit ausführliche analytische Untersuchungen geschrieben, um technisch zu sezieren, wie Bouguereau seine ganz eigentümliche Magie wirken konnte.

Die Menschheit als wunderbar real und so ideal wie möglich darzustellen war das Ziel des Künstlers. Damit ermutigte er alle, solche Ideale anzustreben. Die Botschaft lautet, dass das Leben gut sein kann, auch wenn die Menschheit vielleicht nicht perfekt ist. Der moralische Imperativ, dass alle Menschen es wert sind, Liebe und Respekt zu erfahren, ist implizit. Es ist also nicht nur falsch, dass Bouguereau, Burne-Jones, Alma-Tadema und ihresgleichen unwichtig gewesen sind; das genaue Gegenteil war der Fall. Er und die anderen Akademischen Künstler waren Wegbereiter für die Veränderungen, die sich in der Westlichen Zivilisation zugetragen haben. Sie versicherten, dass jedes Individuum einzigartig und wertvoll ist. Nur eine Gesellschaft wie die unsere könnte Menschen hervorbringen, denen man sogar zugestehen würde, Farbe auf eine Leinwand tropfen zu lassen und das ein Kunstwerk zu nennen. Vor hundert Jahren hätte man jemanden, der so etwas tun wollte, in eine Irrenanstalt geworfen oder schlimmeres. Wir müssen einsehen, dass es die moderne Kunst nie hätte geben können – außer in der Nachfolge der Humanistischen Kunst, die ihr voranging. Man kommt nicht umhin, von der Ironie getroffen zu werden, dass die größten Profiteure dieser „befreiten“ und „aufgeklärten“ Künstler ihre größten Verleumder sind. Das Messer der Undankbarkeit schneidet tief.
Der nächste Mythos, der von seinen Kritikern über Bouguereau verbreitet wurde, lautet, dass er nur für die Besitzbürger malte, um reich zu werden.
Lasst uns diesen Vorwurf endgültig ausräumen. Er rühmte sich damit, dass er nie Auftragsarbeiten annehmen musste. Er malte, was er liebte und woran er glaubte – oftmals 16 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, ähnlich wie Michelangelo. Er wurde so berühmt, dass sein Händler, Goupil, 10 000 US-Dollar für eine einzige Leinwand verlangen konnte (das entspricht heute etwa 300 000 US-Dollar). Das Besitzbürgertum hätte sich seine Gemälde niemals leisten können und sie wurden vielmehr von den wohlhabenden Mellons, Rockefellers, Vanderbilts und Carnegies gekauft. Lassen Sie mich die Frage stellen, wer Matisse, Picasso und Gauguin oder De Kooning, Rothko und Pollock bis heute gekauft hat? Die Mellons, Vanderbilts und die Carnegies oder ihresgleichen! Niemand behauptet, dass diese Künstler nur für das Besitzbürgertum malten, um reich zu werden. Picasso war mit Sicherheit viel reicher, als er starb, als es Bouguereau bei seinem Tod gewesen ist.
Rubens, Gainsborough, Church, Rodin,Boucher, De Kooning und Frank Stella verdienten und verdienen alle erhebliche Beträge mit ihrer Kunst. Tatsache ist, dass es meistens die Reichen sind, die Kunst kaufen. Statt diese Tatsache zu benutzen, um die Künstler zu verurteilen, sollte sie ein Anlass sein, jene anzuerkennen, die das Großartige erkannt haben und die geholfen haben, es zu fördern. Was wäre die Renaissance ohne Lorenzo de Medici gewesen?
„Bouguereau fing sogar die Seelen und den Geist seiner Gegenstände ein. Sie erwachen zum Leben, wie es noch nie einem Künstler zuvor oder seitdem gelungen ist.“
Wiederum sollten wir fragen, was daran falsch ist, zum Besitzbürgertum zu gehören? Es war mehr als alles andere seine Existenz, die dazu beitrug, unsere Kultur so zu gestalten, wie wir sie kennen. Das Besitzbürgertum entstammte größtenteils armen Verhältnissen und die Bürger waren berechtigterweise der Meinung, dass sie ebenso Liebe und Respekt verdient hatten wie der Adel vor ihnen.
Einige der besten Arbeiten aus Bouguereaus Werk gehören zu den größten Meisterwerken der westlichen Kunst. Da sein Werk unfair herabgewürdigt worden war, herrschten während eines Großteils des 20. Jahrhunderts geringe Preise vor. Private Sammler konnten darum seine Werke erstehen oder sie behalten, darunter einige seiner größten Gemälde. In den letzten 20 Jahren stiegen allerdings die Preise für seine Werke astronomisch an. Gemälde, die im Jahre 1970 nur 5000 US-Dollar eingebracht hätten, waren 1980 schon 50 000 US-Dollar wert und heute würden sie sich für über eine Million verkaufen. Im November 1998 wurde der Weltrekord für Bouguereau zwei Mal gebrochen: Cupido und Psyche als Kinder wurde für 1 760 000 US-Dollar verkauft und Alma Parens, ein allegorisches Gemälde von Mutter Frankreich, die ihre Kinder stillt, wechselte für 2 650 000 US-Dollar bei Sotheby’s seinen Besitzer. Preis und Qualität gehen selbstverständlich nicht unbedingt Hand in Hand. Dies ist allerdings ein deutlicher Hinweis auf sich verändernde Wahrnehmungen. Im Falle von Bouguereau ist sein Werk noch immer unterschätzt, da ein Picasso im selben Jahr für 48 Millionen US-Dollar verkauft wurde und ein Andy Warhol für 17 Millionen US-Dollar und ein Selbstportrait von Van Gogh für 71 Millionen US-Dollar.
Ein weiterer Mythos betrifft die Anschuldigung, dass der Großteil des Werkes jener traditionellen Humanisten oder Akademischen Realisten einfach nur kleinliche Sentimentalität ist. Tatsächlich empfinden modernistische Kritiker jede Andeutung einer positiven menschlichen Emotion als kleinliche Sentimentalität. Ich würde zustimmen, dass die ungewöhnliche Zuneigung eines Erwachsenen zu einem Ring aus der Hochschule oder zu Cheerleader-Pom-Poms kleinliche Sentimentalität ist. Aber was ist mit dem unvergleichlichen Glück eines Kindes, das seine ersten Schritte geht? Gibt es irgendetwas Schöneres und könnte irgendetwas ein geeigneterer Gegenstand für Kunst sein? Ist das kleinliche Sentimentalität? Was ist mit der Darstellung der ersten Augenblicke des Geschlechtsbewusstseins einer jungen Person, die von der Kindheit zum Erwachsenenalter übergeht? Was ist mit der Grausamkeit des industriellen Lebens in den Städten mit seiner Kälte und den Obdachlosen, die sich in einer Winternacht für Brot anstellen? Das sind Gegenstände, mit denen man sich noch nie befasst hatte und die in früheren Jahrhunderten als unangemessen gegolten hätten. Gewiss haben sich viele Akademische Künstler jenes Zeitalters erfolglos an solchen Gegenständen versucht und das Ergebnis sah oft übermäßig sentimental aus. Allerdings war in jeder historischen Epoche der Großteil der Arbeit, die geleistet wurde, durchschnittlich. Das hält uns nicht davon ab, die Spreu vom Weizen zu trennen. So war das auch im 19. Jahrhundert. Es gab jene wie Bouguereau und Lord Leighton, denen es mit poetischer Brillanz gelang.

Behaupten wir, dass diese Werke nur kleinliche Sentimentalität sind, könnten wir dasselbe dann nicht mit eben jener Logik über die großen Renaissance-Künstler behaupten, die versuchten, die Freuden der religiösen Entrückung oder des übermäßig dargestellten Heldentums der Könige einzufangen? Oder was ist mit den niederländischen Künstlern aus dem 17. Jahrhundert, die strenge Adelige oder zechende Bauern in Kneipen malten? Caravaggio und George de La Tour malten Wahrsager und mit Kartenlegen betrügende Zigeuner. Ist auch das kleinliche Gefühlsduselei?
Der Modernismus möchte erzürnen, beleidigen und menschliche Gefühle (d.h. Sentiment) besudeln. Er möchte jeglichen Ausdruck unserer Leidenschaften und der Schönheit als nichts Weiteres als Sentimentalität abtun und im nächsten Atemzug möchte er uns weismachen, dass die modernistischen Werke leidenschaftlich und schön sind. 1964 wurde im Metropolitan Museum in New York eines von Frederick Churchs schönsten Meisterwerken der Landschaftsmalerei für lediglich 30 000 US-Dollar angeboten. Sie haben das Angebot mit dem Kommentar abgelehnt, dass sie keine Postkartenbilder kaufen. Es wurde spezifisch darum nicht abgenommen, weil es das Gefühl anspricht. Heute sind im Met Dutzende solcher Werke im „Amerika des 19. Jahrhunderts“-Flügel ausgestellt. All die Meisterwerke des 19. Jahrhunderts, die universelle menschliche Emotionen jeglicher Art darstellen, wurden herabgesetzt und in einen Topf geworfen, weil sie sich an das kleinliche menschliche Sentiment richten würden. Es war allerdings nicht nur das Sentiment, das als wertlos abgelehnt wurde, sondern die Darstellung jeglicher menschlicher Emotionen.
Ich sage nicht, dass es keine rührseligen und übertrieben sentimentalen Gemälde aus dem 19. Jahrhundert geben würde, aber die Modernisten lehnen sie alle kurzerhand ab, ob sie schlecht und albern oder inspiriert und brillant sind.
„Ich weiß, dass es weder so korrekt wie Bouguereau gezeichnet, noch gemalt ist, und ich bedaure dies, weil ich ein ernsthaftes Verlangen danach habe, korrekt zu sein.“
Als nächstes möchte ich auf den Mythos eingehen, dass Bouguereau, Meissonier, Cabanel, und Gérôme die Impressionisten davon abgehalten hätten, ihre Werke in Salons auszustellen sowie in Akademien und Ateliers zu arbeiten. In ihrer Jugend arbeiteten Monet und Renoir neben dem großen akademischen Künstler Gérôme im Atelier von Charles Gleyre. Degas war akzeptiert und arbeitete erfolgreich im Atelier von Hippolyte Flandrin und Ingres. Edouard Manet arbeitete im Atelier von Thomas Couture. Und in jedem Salon wurden seit 1873 stets impressionistische Gemälde gezeigt. Der Grund, warum es während der ersten Jahre nur wenige davon gab, besteht darin, dass es noch nicht viele impressionistische Künstler gegeben hat. In einer typischen Salon-Ausstellung in den 1870ern waren vielleicht zehn oder zwölf von 200 Künstlern Impressionisten. Es ist auch falsch, dass Van Gogh Bouguereaus Werk verabscheute. Kritiker weisen auf einen Brief hin, in dem Van Gogh sagte, dass er seine Gemälde einfacher verkaufen könnte, wenn er schöne Dinge wie Bouguereau malen würde. Sie übersehen bequemerweise einen anderen Brief, in dem Van Gogh seine Enttäuschung ausdrückt, dass er niemals so gut wie Bouguereau malen können würde. In einem weiteren Brief schreibt Van Gogh: „Ich weiß sehr genau, dass es weder so korrekt wie Bouguereau gezeichnet, noch gemalt ist, und ich bedaure dies, weil ich ein ernsthaftes Verlangen danach habe, korrekt zu sein. Und obwohl es dazu verdammt ist, weder ein Cabanel noch ein Bouguereau zu sein, so hoffe ich doch, dass es französisch sein wird.“
Diese Briefe können einfach in den veröffentlichten Briefen von Vincent van Gogh gefunden werden und sie sind eine Würdigung der entscheidenden Bedeutung des Zeichnens seitens Van Gogh.
Außerdem erstaunen mich immer wieder modernistische Kritiker wie John Russel oder Hilton Kramer von der New York Times. Sie schreiben Besprechungen von Museumsausstellungen Alter Meister wie Raphael, Caravaggio, Titian oder Da Vinci. Dabei bemerken sie das exquisite Zeichnen, die Ausgewogenheit der Komposition, die Genauigkeit der Perspektive und Modellierung, die feinfühlige Kolorierung und vergessen dann bequemerweise, den übermäßig sentimentalen Gegenstand oder die über-dramatisierten Gesten zu bemerken. Dieselben Kritiker sehen sich dann Bouguereau, Gérôme, Burne-Jones oder Alma-Tadema an und ignorieren die oben erwähnten Parameter mit einer Art von „Doppeldenk“, direkt aus Orwells „1984“, vollkommen und sehen nichts außer den sogenannten sentimentalen Gegenstand. Diese Kritiker sagen gerne, dass Bouguereaus Werk nur derivativ sei und sich auf frühere Künstler zurückbesinne. Nur im 20. Jahrhundert ist so etwas jemals verachtet worden. Zu diesem Thema habe ich eine Anmerkung zu machen.