Beitrag von mir im neuen Sammelband „Humanistik und Philosophie 2022“

Im neuen Buch „Humanistik und Philosophie 2022“ (gibt’s bei Alibri) ist nun der Essay „Objektivismus revisited: Darum scheitert Ayn Rands Ethik“ von mir erschienen. Es handelt sich bei dem Buch um den Jahresband der Humanistischen Akademie, das Studien- und Bildungswerk der Humanistischen Vereinigung (vormals Humanistischer Verband). Die Beiträge im Sammelband beziehen sich auf Veranstaltungen der Humanistischen Vereinigung, meiner entsprechend auf meinen Vortrag zum selben Thema für die HV und die GKPN.

Ich habe einige neue Aspekte im Essay aufgegriffen im Vergleich zum Vortrag. Er bietet also auch jenen was, die den Vortrag kennen.

Abseits des philosophischen Aspekts geht es der Humanistischen Akademie auch um die Entwicklung einer humanistischen Kultur mit entsprechender intellektueller Tradition. In der Regel werden säkulare Denker rezipiert, in diesem Band geht es vor allem um den Utilitaristen John Stuart Mill und dessen Frau Harriet Taylor Mill. Und zu den einflussreichen säkularen Denkern zählt eben auch Ayn Rand.

Dass ein Denker rezipiert wird, heißt nicht, dass man sie oder ihn für einen guten Denker halten müsste oder ihm zustimmen müsste. Schließlich verbringen wir auch viel Zeit mit der Nietzsche-Rezeption in säkular-humanistischen Kreisen, obwohl niemand der anti-humanistischen Philosophie Nietzsches zustimmen wird. Dazu muss ich auch sagen, dass Rand bei weitem humanistischer war als Nietzsche. Sie vertrat schließlich die Idee, dass alle Menschen gleiche Rechte haben und jeder Mensch sein volles Potenzial entfalten sollte. Nietzsche hingegen sagte: „Unrecht liegt niemals in ungleichen Rechten, es liegt im Anspruch auf ‚gleiche Rechte'“.

In erster Linie ist der Beitrag eine Kritik an Rands Metaethik rund um das individuelle Überleben. Es geht aber auch um meinen intellektuellen Werdegang, wie ich bei Rand gelandet war.

Übrigens: Im letzten Online-Vortrag der GKPN, Moral ohne Gott? Über die angebliche Notwendigkeit von Religion für Moralbegründung und -motivation von Dagmar Fenner, sagte ich in der Diskussionsrunde am Ende etwas, das ein gewisses Kopfschütteln auslöste. Dazu ein paar Worte.

Immerhin erkennt man am Kopfschütteln, dass ich noch immer ich selbst bin. Wer wäre Feuerbringer, ohne Kopfschütteln auszulösen? Ich verwies auf die beiden großen Baustellen in der säkularen Ethik: 1. die Metaethik (warum soll man überhaupt moralisch sein?) und 2. die motivierende Kraft der Ethik. Viele säkulare Ethiken seien „Luftschlösser“. Es sei unklar, warum man nach ihnen leben sollte. Wer meinen Beitrag über den Objektivismus kannte, hat dies gut einordnen können. Aber bei anderen löste mein Kommentar ein gewisses Naserümpfen aus.

Insofern sollte ich drei Punkte ergänzen:

1. Das war keine Kritik am Vortrag von Dagmar Fenner, der war ja völlig in Ordnung.

2. Religiöse Ethiken sind ebenso Luftschlösser.

3. Ich denke selbst, dass es eine gute Antwort auf metaethische Fragestellungen gibt. Bekanntlich vertrete ich eine Variante des Intuitionismus. Allerdings ist die Metaethik ein größeres Problem speziell für säkulare Ethiken. Christen können sagen: Du sollst ethisch sein, weil du dafür in den Himmel kommst und ansonsten fährst du für immer in die Hölle. Sofern das stimmt, ist das ein guter, motivierender Anlass, ethisch zu sein.

Doch warum sollte man Utilitarist sein und für das Glück der großen Zahl leben? Warum sollte einen das Glück der großen Zahl interessieren? Oder das Überleben von menschlichen Populationen? Warum sollte man den kategorischen Imperativ von Kant befolgen? Warum sollte man ultimativ seine Pflichten erfüllen? Warum sollte man Tugenden leben?

Dafür lassen sich soziale Gründe anführen, doch die Befolgung solcher Richtlinien lässt sich auf dieser Ebene leicht minimieren und relativieren, was die meisten Leute ja auch täglich machen. Und ultimativ auch negieren, falls jemand keinen Wert auf soziale Anteilhabe legt und lieber voller Drogen im Straßengraben liegt und mit 40 stirbt (wie in meinem plakativen Beispiel). Man könnte auch für sein öffenliches Ansehen so tun, als ob man Tugenden lebt, und insgeheim Leute übers Ohr hauen. Was ist die säkulare innere Motivation und der Grund dafür, ethisch zu leben?

Nun kann ich darauf Antworten geben. Aber es ist eine legitime Frage, die längst nicht nur Psychopathen stellen: Warum sollte ich ethisch sein? Warum nicht rein egoistisch? Oder nihilistisch?

Vielleicht hat es schlecht ausgesehen, dass ich die Frage gestellt habe, wenn es darum ging, den Atheismus ethisch aussehen zu lassen. Als Philosoph sind solche Erwägungen für mich jedoch sekundär. In erster Linie brauchen wir gute Antworten. Und wenn wir keine haben, haben wir auch kein gutes Angebot. Das Problem ist nicht meine Frage, sondern gegebenenfalls der Mangel an guten Antworten auf meine Frage.

Übrigens ist Alibri auch der Verlag, der mein Buch Das Prometheus Trio: Die Invasion veröffentlichte. Der Kreis schließt sich, und all sowas.