Zwar finde ich die Selfie-Kampagne für die Legalisierung der freiwilligen Sterbehilfe der GBS geschmacklos und unfreiwillig komisch, aber in rasende Wut versetzt mich nur eines: Die Meinung von vielen Klerikern, dass wir nicht das Recht hätten, über unser eigenes Leben und somit Sterben zu bestimmen, weil wir Gottes Eigentum sind. Was Gott dazu sagt, wissen wir gar nicht. Selbst in der Bibel, die nicht von Gott direkt geschrieben wurde, steht nichts über Sterbehilfe-Richtlinien. Wir wissen nur, was bestimmte Menschen dazu sagen, die sich erdreisten, in seinem Namen zu sprechen. Schade, dass man solche Konflikte nicht in einem Ultimate-Fighting-Championship austragen kann.
Heinrich Bedford-Strohm ist der evangelische Landesbischof in Bayern. In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen äußert er sich zum Thema Sterbehilfe. Er warnt vor „organisierter und kommerzieller Sterbehilfe“, womit er sich an den Bodensatz des Ghettos der geistigen Unterschicht richtet, die sich vor dem Kapitalismus fürchtet. Wir kaufen unsere Lebensmittel in kapitalistischen Geschäften, aber für unseren Tod ist es uns zu schade, dass die Ärzte, die uns behandeln und die unseren Wunsch nach Erlösung aus einem Zustand unerträglichen Leides erhören, für ihre schwierige Aufgabe einvernehmlich entlohnt werden (= Kapitalismus). Ich hätte nicht einmal etwas gegen „kommerzielle“ Sterbehilfe, im Gegenteil, aber die ist obendrein nur ein Schreckgespenst der Fremdbestimmungs-Lobby.
Auf jeden Fall sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, dass er seine krebskranke Frau wohl für Sterbehilfe in die Schweiz begleiten würde, obwohl dies „völlig“ seiner Überzeugung widerspreche.
Handeln Kleriker immer „völlig“ gegen ihre Überzeugung? Es ist zwar völlig gegen meine Überzeugung, Menschenhandel zu betreiben, aber hin und wieder verkaufe ich schon einmal eine Frau oder ein Kind. Der Mensch ist eben ein unvollkommenes, sündiges Wesen! Dagegen kann man gar nichts machen – auch, wenn es gegen meine Überzeugung ist!
So eine dreiste Unverschämtheit, so etwas überhaupt zu äußern, es treibt mich zur Weißglut! Eure Ethik, eure Überzeugungen sind offenbar keinen Pfifferling wert, wenn es darauf ankommt! Wenn man persönlich betroffen ist, dann kann man sich eine göttliche Moral wohl nicht mehr leisten, wie? Wenn ich jetzt Thors Hammer hätte, ich garantiere für nichts!
Und jetzt der Kommentar von Bedford-Strohm dazu: „Schneider hat an keiner Stelle die Position der EKD, die ja auch seine eigene ist, in irgendeiner Weise aufgeweicht. Er sagt heute wie früher, dass er aktive Sterbehilfe oder eine organisierte und erst recht kommerzialisierte Hilfe zum Sterben ablehnt.“
So etwas nennt man „Heuchelei“. Man nimmt für sich und seine Lieben Sterbehilfe in Anspruch, aber man verbietet es anderen Menschen im Namen Gottes.
Die irrationalen Ideen der Kirchen kann man als Mensch nicht leben. Das ist einer von vielen Belegen. Dass wir uns und jene, die wir lieben, für Gott aufopfern sollen, wird ein Mensch mit Selbstvertrauen, der sein Leben liebt, nicht umsetzen. Natürlich sollte er dann andere Menschen ebenfalls gewähren lassen.
Landesbischof: „Es sollte keine organisierte Sterbehilfe geben“ – weiter lesen auf Augsburger-Allgemeine: http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Landesbischof-Es-sollte-keine-organisierte-Sterbehilfe-geben-id31606172.html